Valentino Dalle Mura brilliert mit »Bruce und die Sehnsucht nach dem Licht«, einem so intelligenten wie komischen Batman-Solo.
Bruce und die Sehnsucht nach dem Licht
Verletzlicher Held – heldenhafte Verletzlichkeit
Auftritt Batman! Aber nanu? Statt dass sich hoch oben im Luftraum etwas tut, der hinter der kleinen Bühne des Marstall Cafés sichtbar wird, hört man Schritte auf der Metalltreppe, und Valentino Dalle Mura erscheint mit dreiarmigem Leuchter und schwer bepackt an deren Ende. Erst mal rempeln die Beine der halben Schaufensterpuppe ans Geländer, die er sich unter die Arme geklemmt hat. Dann gerät die Unsicherheit in seinen Augen in den Blick. Nicht der Superheld Batman und nicht die Playboy-Persona des Erben von Wayne Enterprises ist hier erschienen, sondern der kleine Bruce, der über den Verlust seiner Eltern nie hinweggekommen ist. Oder der kleine Dalle Mura, der mit Batman-Comics groß wurde. Oder die weder von großem Vermögen noch ebensolcher Schauspielkunst zu besiegende Angst, die beide verbindet, weshalb der Mann auf der Bühne nun über Depressionen spricht und über Zeiten, in denen nur Haare, Pickel und die Traurigkeit wachsen.
»Bruce und die Sehnsucht nach dem Licht« ist ein Soloabend der besonderen Art und der erneute Beweis dafür, dass diese One-Man- oder Woman-Shows ein tolles Vehikel sind, um damit aus dem Schatten eines so großen Ensembles zu treten, wie es das Resi hat. Dalle Mura, der bislang das Pech hatte, nur in schnell vergessenen bis misslungenen (Corona-)Abenden von »Der Preis des Menschen« bis »Teile (Hartes Brot)« besetzt worden zu sein, bezaubert mit einem hochintelligenten Mix aus Stand-up-Comedy, philologischer Betrachtung auf Speed und selbstironischer Nabelschau. Wie viel Florian Hein dazu beigetragen hat, der für Stückentwicklung und Regie verantwortlich zeichnet, ist schwer zu sagen. Der 1996 geborene Alleindarsteller jedenfalls spielt und erklärt sich die Seele aus dem Leib und brilliert mit einer liebevollen, keine Plattheit unhinterfragt lassenden Nacherzählung von »Batman & Robin«, die viel weniger zäh ist als der Trash, den Joel Schumacher 1997 gedreht hat – und mit der verblüffenden Erkenntnis endet: »Ich bin nicht sicher, ob ich je einen besseren Film über Männerfreundschaft gesehen habe.«
Irgendwann steigt Dalle Mura dann doch noch in den Luftraum des Marstall auf, wo leuchtende Fenster an den Stützbalken die Skyline von Gotham City markieren und Batman – obschon inzwischen beflügelt – die Unterstützung einer knarzenden Hebebühne nötig hat. Ohne technischen Support fliegen hier nur die zahlreichen Wasserflaschen, aus denen er sich während dieses zunehmend sportiven Kraftakts erfrischt, bei dem er zum Beispiel ganz alleine 50 Tänzerinnen aus dem Boden stampft. Ist er da gerade Bruce oder Valentino? Wird anfangs noch säuberlich ausgewiesen, wann der Soloperformer Bruce oder dessen Diener Alfred spricht, verschmelzen die Positionen immer mehr – und aus dem Comic- und Film-Steinbruch löst sich ein überraschend vielschichtiges Männerbild heraus. In Batman steckt nämlich nicht nur »der patriarchale Schläger«, er kann auch »ganz warm, ganz traurig und weich, ganz majestätisch und männlich« sein wie George Clooney oder ein »Musical meiner grenzenlosen Traurigkeit« anstimmen wie Valentino Dalle Mura. Sein Solo ist ein Plädoyer dafür, »Batman inklusiv und bunt zu denken – und das darf dann ruhig auch bescheuert sein«. Nicht nur was für Nerds, sondern für alle Schauspielbegeisterten, die den offenen Umgang mit der eigenen Verletzlichkeit heldenhaft finden! ||
BRUCE UND DIE SEHNSUCHT NACH DEM LICHT
Marstall Café | 18. Juli | 20 Uhr
Tickets: 089 21851940
Weitere Theaterkritiken finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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