Cornelia Meliáns Micro Oper feiert ihr 30-Jähriges im Schwere Reiter.

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Master Mind der Micro Oper: Cornelia Mélian © Regine Heiland

Sie nennt ihre Projekte und sich »Micro Oper«. Dieser Name gibt aber nur einen geringen Teil des Spektrums von Cornelia Melián wieder. Für Theaterfestivals waren die Projekte der Sängerin, Performerin, Produzentin und künstlerischen Leiterin zu musiklastig, für Musikfestivals aber zu theatral. Trotzdem – und jetzt erst recht – feiert Cornelia Melián am 8. April in dem Konzert »30 Jahre Inszenierte Musik« die Micro Oper. Mit Ernst Bechert, ihrem Partner bei der Rehab-Oper »Jetzt das Paradies. Ein Musiktheater für die Leistungsgesellschaft« (2013) und vielen anderen Projekten, sammelte sie Ende Februar für das Jubiläum ihres eigenwilligen Kosmos künstlerische und menschliche Erinnerungssplitter. Zum Beispiel von der Münchener Biennale, bei der Cornelia Melián mit den Musiktheaterstücken »Der Schmutz« (1996) und »One-Woman-Opera« (2008) mitgewirkt hatte. Davor und danach bereicherte sie die freie Szene Münchens mit einer Vielzahl von Produktionen, die »Musik sichtbar machen«. Das war ihr Anliegen auch dann, als die Bänder der international aufgestellten Festivals in München zu den Kulturakteuren vor Ort immer lockerer wurden.

»Ich wollte eigene Programme kreieren, die Musik singen, die ich toll finde, und mir neue Präsentationsformate ausdenken. Ich hatte immer Probleme mit dem strengen Formenkatalog, mit dem Musikknigge, der etabliert war. Das hatte nichts mit meiner Zeit und meinem Leben zu tun. Ich wollte Musiktheater anders machen, experimentieren«, dachte Cornelia Melián vor 30 Jahren und hat dieses Selbstversprechen – ausgenommen die beiden Corona-Jahre – halten können. »Inszenierte Musik« geschieht bei ihr mit immer wieder anderen Mitteln. Ihre Kompilationen beruhen auf geschlossenen Werken, Bearbeitungen und Transformationen, zum Beispiel von Satie und Widmann, mit Alter Musik, Auftragskompositionen, Improvisationen und Arrangements. Die Illustration von Musik durch Videos war ihr immer zu wenig. Sie sagt lieber »Aktuelle Musik« statt »Neue Musik«, weil sie den Öffnungen klassischer Formationen zu Jazz und digitalen Formaten hohe Bedeutung beimisst. Das zum Jubiläum erscheinende Festbuch »30 Jahre Micro Oper München« zeigt mit Aufsätzen langjähriger Wegbegleiter eine Bestandsaufnahme dieses Einsatzes für offene Spielweisen und inhaltlich legitimierte Technik.

Die Vielfalt zwischen traditioneller Musik und Sprache zeichnet Cornelia Melián aus. Erstere kultivierte sie seit ihrem Studium der historischen Aufführungspraxis in Basel und in den 1990er-Jahren an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy«, wo sie den Aufbau des Fachbereichs Alte Musik mitgestaltete. Die freie Szene München stand seither meistens im Zentrum ihrer Auftritte und intensiven Projektentwicklungen. Chancen, aber auch Mängel in München kennt sie aus vielen Perspektiven, und wurde deshalb Mitglied bei der 2021 gegründeten IG Zeitgenössische Musik München (IG ZMM). Sie macht keinen Hehl daraus, dass ihre Erwerbsquellen weniger aus ihren zwischen allen Sparten (und Fördermodellen) stehenden Projekte als aus ihren gefragten Fähigkeiten als Stimmbildnerin für die Ensembles des Bayerischen Staatsschauspiels und des Münchner Volkstheaters kommen. Deshalb plädiert sie für von der Stadt ermöglichte Proberäume, welche für viele Kulturakteure eine große organisatorische und wirtschaftliche Erleichterung wären. Zum Beispiel auch für die nächste Micro-Oper-Produktion, die sich im Spätsommer den »Song Books« von John Cage widmet.

Momentan sind zwei spartenübergreifende und durch die Pandemie bisher ausgebremste Projekte für Cornelia Melián besonders wichtig. »Winter« ist in Kooperation mit HochX Theater und Live Art eine »musikalisch-szenische Meditation über Verlust, Einsamkeit und den Moment, der bestimmt, ob ein Befund in Resignation umschlägt oder einen Neustart bewirken kann«. Franz Schuberts »Winterreise« war die Grundlage zu einem »spartenübergreifenden Ensemble der beklemmenden Erfahrungswelt mit den Mitteln der Neuen Musik, der experimentellen Musik und der zeitgenössischen Videokunst«. Sie bleibt durch die Flüchtlingsströme von hoher Aktualität.

Auch die Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Äbtissin, Mystikerin und Komponistin Hildegard von Bingen erreicht in aktuellen Diskursen über Ganzheitlichkeit und Ressourcenschwund eine neue Dringlichkeit. Cornelia Melián bewundert »Gottes kleine Posaune«. Auch neben der Micro Oper ist sie deshalb intensiv mit Hildegard beschäftigt. In dem Schauspiel »Die Visionärin« von Susanne Felicitas Wolf, einer Produktion der Tourneekompanie Theaterlust, leitet sie die Livemusik. Diesmal überwiegt ausnahmsweise der theatrale Aspekt. Wie immer hat die Gewichtung künstlerischer Mittel bei ihr einen inhaltlichen Grund. ||

30 JAHRE MICRO OPER MÜNCHEN
Schwere Reiter | Dachauer Str. 114a
8. April | 20 Uhr | Tickets: 089 54818181

Weitere Artikel über das musikalische Geschehen in München finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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