Die Ausstellung »John Heartfield. Fotografie plus Dynamit« im NS-Dokumentationszentrum präsentiert einen radikalen politischen Grafiker der Weimarer Republik.
John Heartfield
Gegen jede Konvention!
Aufgeschnittene Brust, die Speiseröhre eine Säule aus aufgefressenen Münzen, die sich dann im Becken zu einem Haufen Geld sammeln. Die Figur ist dekoriert mit Hakenkreuz, Eisernem Kreuz – und besitzt einen Kopf von Hitler. So stellt John Heartfield 1932 in einer Collage Adolf Hitler dar. Betitelt ist die kämpferische athletische Figur mit »Adolf, der Übermensch: Schluckt Gold und redet Blech«. Es ist noch eine der weniger brutal anmutenden Arbeiten in der Heartfield-Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums München, wiewohl die Botschaft wie immer freilich sitzt.
Hier gibt Heartfield (1891–1968) seiner unnachahmlichen Ironie die Sporen. Die Verbindung von Wort und Bild – ein Markenzeichen Heartfields – macht das Werk erst zum Meisterwerk. Richtig martialisch mag er’s aber eigentlich noch lieber. Etwa die Arbeit von 1928 »Kanonen gegen den Krieg – der Krieg wirft seinen Schatten voraus«. Die Fotomontage zierte das Extrablatt der KPD zum Briand-Kellogg-Pakt von 1928, den die KPD ablehnte. Der Pakt, den der damalige US-Außenminister Kellogg initiierte, schuf die völkerrechtliche Grundlage zur Abschreckung feindlicher Kriegshandlungen. Die KPD, der Heartfield am Tag ihrer Gründung beitrat, betrachtete die Gründung einer kommunistischen Gesellschaft als einzige Möglichkeit, dauerhaft Frieden zu sichern. Das Kriegsmonster auf der Collage – eine Art aus allerlei Waffen zusammengesetzter furchterregender Roboter – symbolisiert zum einen die »wahre Natur« des kapitalistischen Staates, die nach kommunistischer Auffassung zwangsläufig Kriege provoziert. Zum anderen wirft das Monster einen Schatten, aus dem sich der namentlich genannte US-Außenminister entwickelt, der so zum Schattenwurf der Kriegsgefahr stilisiert wird. (Als diese KPD-Sonderbeilage erschien, war noch nicht abzusehen, dass die Sowjetunion wie auch andere Länder den Pakt ebenfalls unterzeichnen würde.)
»Freie Bahn dem Frieden« (1928) zeigt einen Panzer, der davonlaufende und bereits stürzende Zivilisten jagt, während dahinter Soldaten in aller Ruhe und recht desinteressiert sozusagen ihrer Arbeit nachgehen. Die Aussage ist klar: Wenn alles platt gemacht ist, herrscht freilich auch eine Art Frieden, Totenruhe. Die Warnung vor dem Grauen des Krieges wird zum zentralen Motiv in Heartfields Schaffen. Seinen Künstlernamen hatte sich der Berliner Grafiker Hellmuth Herzfeld 1916 aus Protest gegen den deutschen Nationalismus (»Gott strafe Engeland!«) gegeben. Seine Wut richtet sich besonders gegen die kriegstreibende, todbringende Allianz aus Militarismus und Kapitalismus. Früh schon entlarvt er in seinen Darstellungen den Nationalsozialismus als gefährlichen Kriegstreiber. Zu seinen Symbolen für den Krieg zählen Schlachtfelder mit Gefallenen, Pickelhauben, Kanonenrohre, Bajonette, Panzer und viele andere militaristische Details.
Warum, fragt sich womöglich mancher, schafft jemand so »grausame« Bilder? Wie kommt er drauf? Hat er was Schreckliches erlebt? Wie wird man zum »Monteurdada«, wie sich Heartfield, der sich nicht als traditioneller »Künstler« begriff, nennen ließ? Und zum Erfinder und Meister der an Bissigkeit nicht zu übertreffenden politischen Fotomontage? Begonnen hatte er seine Karriere gemeinsam mit George Grosz im von seinem Bruder Wieland Herzfelde 1917 gegründeten Malik-Verlag, einem Avantgarde- und Dada-Unternehmen.
Wichtig ist, dass Heartfield mit seinen raffinierten Text-Bild-Kombinatoriken die tagtäglich von den Nationalsozialisten verbreiteten Lügen offenlegt, die NS-Propaganda unterwandert – und mit der darunterliegenden Wahrheit konfrontiert. Das ist freilich mehr politisch als künstlerisch zu begreifen. Seine besten Fotomontagen im Engagement gegen Faschismus, Krieg und Ausbeutung erschienen in den 30er-Jahren in der »Arbeiter-Illustrierten-Zeitung« (»AIZ«), die ab 1924 erschien und bis 1930 die beeindruckende Auflage von 300.000 Exemplaren erreichte, was zwischen zwei und drei Millionen Lesern entspricht. Die »AIZ« bot Heartfield ideale Bedingungen, da die Bildbearbeitung gemeinsam in enger Zusammenarbeit mit Redakteuren und Technikern erfolgte und so zu einer ständigen Quelle der Inspiration für ihn wurde. Die Ausstellung präsentiert auch Buchgestaltung und Bühnenarbeiten in Kooperation mit der Berliner Akademie der Künste, die den Nachlass von Heartfield beherbergt und auch online präsentiert.
Heartfield, der für sich einen tiefen Sinn für Gerechtigkeit beanspruchte und sich in Gegnerschaft zu den herrschenden Eliten positionierte, verstand sein Werk als Beitrag zum politischen Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse. Allerdings stieß seine Ästhetik der prägnanten Motive auch in der KPD nicht nur auf begeisterten Zuspruch. So wie man auch heute sein symbolisches Inventar – etwa muskulöse Männerarme, Fäuste und Fahnen – besonders nach den Erfahrungen mit den diktatorischen Systemen im 20. Jahrhundert für problematisch halten kann, so gab es auch in der KPD Widerstände. Die Partei stand dem Einsatz von Bildern und »Kunst« in der Propaganda nämlich so skeptisch gegenüber wie den Avantgarden überhaupt. An der Richtigkeit und Aktualität von Heartfields Überzeugungen ändert das freilich nichts. Gerade in Zeiten von Bild-Manipulation und Fake News. ||
JOHN HEARTFIELD. FOTOGRAFIE PLUS DYNAMIT
NS-Dokumentationszentrum München
Max-Mannheimer-Platz 1 | bis 24. April
Di bis So 10–19 Uhr | Rundgänge: 20., 27. März / 3.,10., 17., 24. April (jew. 15 Uhr)
22., 29. März / 5.,12., 19. April (jew. 17.30 Uhr; Gratiskartenvergabe 15 Minuten vor Beginn) | Die gleichnamige Buchpublikationder Akademie der Künste (Hirmer Verlag, 312 S., 250 Abb.) kostet 39,80 Euro | Heartfield-Grafik-Nachlass online
Weitere Artikel über Ausstellungen in München finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Close Enough: Die Magnun-Fotoausstellung im Kunstfoyer
Riefenstahl: Interview mit Regisseur Andreas Veiel
Papan: Der Karikaturist und Zeichner im Porträt
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton