Das Biopic »King Richard« feiert väterlichen Drill als Businessmodell.
King Richard: Ab heute im Kino
Von langer Hand geplant
Klingt wie ein Sozialexperiment und ist doch Anfang der 1980er-Jahre genau so passiert: Ein Vater sieht im Fernsehen, wie viel Preisgeld die Gewinnerin eines Tennisturniers bekommt, und schreibt vor der Geburt seiner beiden Töchter einen Businessplan, um sie zu den besten Tennisspielerinnen der Welt zu machen. Damit wäre für die Familie gesorgt und das Leben im Ghetto von L.A. endlich passé. Und wie in einem Traum sind die beiden Frauen 20 Jahre später gemeinsam an der Spitze der Weltrangliste. Die Anekdote hat Sportgeschichte geschrieben und Richard Williams wurde als der eigenwillige Vater, Trainer und Manager von Venus und Serena berühmt berüchtigt – der titelgebende »King Richard«. Die beiden Ausnahmeathletinnen gelten bis heute als die erfolgreichsten Spielerinnen der WTA Tour.
Regisseur Reinaldo Marcus Green hat mit Drehbuchautor Zach Baylin aus dieser Erfolgsgeschichte ein Biopic gemacht – nicht etwa über die Sportlerinnen, sondern über Richard. Venus und Serena sind ausführende Produzentinnen und verstehen den Film als Liebesbrief an ihren Vater und natürlich geht es hier um nichts weniger als den American Dream. Der scheint meist nur für die weiße Bevölkerung zu gelten, aber genau deshalb habe er absichtlich eine »weiße« Sportart wie Tennis für seine Kinder gewählt, so Richard. Er fragt Venus vor ihrem ersten großen Spiel, ob sie sich ihrer Verantwortung bewusst sei. Sie könne das Vorbild für eine ganze Generation von afroamerikanischen Mädchen werden. King Richard will es der ganzen Welt beweisen.
Green konzentriert sich auf die drei Jahre vor Venus Williams’ erstem Profimatch – die Werbevideos, unzähligen Telefonate und Vorsprechen, bis die ersten professionellen Trainer das Potenzial der Kinder erkennen. Der Weg an die Spitze, das wird klar, ist ein steiniger. Aber der Businessplan ist Ziel und Familienbibel zugleich. Die nachmittäglichen Trainingseinheiten auf einem heruntergekommenen öffentlichen Sportplatz in Compton wirken wie eine Mischung aus Familienausflug und Pfadfinderdrill. Will Smith spielt Richard zwischen strengem Familienvorstand und despotischem Kontrollfreak, glaubwürdig ekelhaft und doch fürsorglich. Als eine besorgte Nachbarin das Jugendamt über sein strenges Regime informiert, fragt er, ob er seine Töchter unbeaufsichtigt auf der Straße unter all den Gangstern und Drogendealern spielen lassen solle. Sein Beruf sei es, Gewinnerinnen zu erziehen, sagt er später einmal im Film.
Disziplin und Geduld sind sein Credo. Neben all den plärrenden Eltern am Spielfeldrand bleibt Williams deshalb immer ruhig und erinnert seine beiden überambitionierten Töchter daran, dass sie hier seien, um Spaß zu haben. Zu schneller Erfolg sei ungesund, deshalb legt er auch Wert auf Bildung – Videonachmittage mit Disneyprinzessinnen werden hier schnell zur Lektion in Bescheidenheit. Nur wer auf allen Ebenen kontinuierlich an sich arbeite, könne es an die Weltspitze schaffen.
Sein Businessplan geht auf, und das Ergebnis scheint ihm Recht zu geben, so argumentiert auch der Film. Richards unorthodoxe Methoden und Geschäftsentscheidungen wirken hier oft wie eine Schrulle. Doch je länger dieses Planspiel fortschreitet, desto weniger wird man das Gefühl los, dass hier ein kaputtes System gefeiert wird. Denn hätte King Richard Recht, müsste dann nicht auch der Umkehrschluss gelten? Hätten
nur alle Afroamerikaner genug Disziplin, hätten die USA kein Armuts- und kein Kriminalitätsproblem. Diesen Widerspruch hinterfragt der Film freilich nicht. ||
KING RICHARD
USA, 2021 | Regie: Reinaldo Marcus Green | Mit: Will Smith, Saniyya Sidney, Demi Singleton, Jon Bernthal | 145 Minuten
Kinostart: 24. Februar
Website
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