Der Volk Verlag stellt im Prachtband »Theater in Bayern. Kultur im Denkmal« nicht nur architekturhistorisch bedeutsame Spielstätten in Bayern vor.
Theater in Bayern. Kultur im Denkmal
Theater, Theater
Leere Theater hatten wir in den vergangenen fast zwei Jahren genug, wir wollen wieder volle sehen. Dass leere Theater aber auch einen prachtvollen Anblick bieten können, zeigt der großformatige Bildband des Volk Verlags »Theater in Bayern«. Getreu dem Untertitel werden hier nicht nur Theater, sondern auch Kinos, Marionettentheater und Volksbühnen vorgestellt. Wer, der nicht schon dort war, weiß zum Beispiel, dass die berühmte Augsburger Puppenkiste in einem Gewölbe aus dem 17. Jahrhundert beheimatet ist, dem ehemaligen Heilig-Geist-Spital? Das Stadttheater Kempten befindet sich in einem vormaligen Salzstadel, der auf das 14. Jahrhundert zurückgeht. Im 18. und 19. Jahrhundert mehrfach umgebaut, erweckt der in Weiß und Rot gehaltene Zuschauerraum den Eindruck, aus dem Klassizismus zu stammen. Ein Teil des Gebäudes wird von einem modernen Glasanbau von 2006/07 umrahmt.
Dem im spätklassizistischen Stil ausgestatteten Zuschauerraum des Stadttheaters Amberg sieht man kaum an, dass er in einer ehemaligen Franziskanerkirche aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts residiert. Das Foyer im früheren Chorraum kann seine geistliche Herkunft jedoch nicht verleugnen. Nach der Säkularisation in Bayern 1802 und 1803 wurden viele ursprünglich kirchlichen Zwecken dienende Gebäude umgenutzt, manche davon eben auch als Theater. Im Stadttheater Memmingen kann man Reste von Malereien im Kreuzgang des ehemaligen Augustinerinnenklosters bewundern, während Foyer und Zuschauerraum in stylisher 70er-Jahre-Ästhetik erstrahlen. In der Zeit hatte man anscheinend eine Vorliebe für skulpturale Lampengebilde. Eine flächige Lichtplastik von Robert Haussmann findet man zum Beispiel im Foyer des 1966 eröffneten Neubaus des Ingolstädter Stadttheaters. Wer in den Siebzigern zur Schule gegangen ist, wird die Sichtbetonbauweise, auch Brutalismus genannt, wiedererkennen, die damals auch Schulneubauten prägte. An Lampenkaskaden in Foyer und Zuschauerraum mangelt es auch im Schweinfurter Theater nicht. Gleichzeitig wirkt der Zuschauerraum des 1963 bis 1966 von Erich Schelling erbauten und von Trude Schelling-Karrer ausgestatteten Hauses mit seiner M.C.-Escher-artigen Wandgestaltung und der Balkonetagere selbst wie eine Skulptur.
27 Theater stellt der Band vor, den Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, herausgegeben hat. Experten des Landesamts haben für jedes Theater ein detailreiches Porträt mit der ausführlichen Architektur-, Ausstattungs- und Nutzungsgeschichte der Gebäude erstellt. Im Anschluss erfolgt eine kürzere künstlerische Einordnung der Häuser, meist von den jeweiligen Pressestellen der Theater. Im 19. Jahrhundert gönnte das erstarkte Bürgertum sich auch in kleineren Städten Theater, und so dominieren schlicht klassizistisch ausgestattete bis üppig neobarock verzierte Theatersäle in Gold, Silber, Weiß und Rot. Dagegen wirkt das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, ein original erhaltenes Barockkleinod von 1748, geradezu düster mit seinen Holztönen, den blau marmorierten Balustraden, pastellfarbenen Flächen und überbordenden Goldverzierungen. Das von Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth initiierte Theater – die Schwester Friedrich des Großen langweilte sich in der fränkischen Provinz – wurde 2012 ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Dass das hölzerne Logenhaus überhaupt noch existiert, liegt daran, dass die Bayreuther ab 1785 in ein kleineres, beheizbares Theater auswichen. In dem unbeheizten Prunkkasten war es einfach zu kalt. So konnte der schon nicht abbrennen wie die meisten anderen Theater dieser Zeit. Als »ältestes, noch regelmäßig bespieltes Barocktheater Süddeutschlands« darf sich allerdings das Erlanger Markgrafentheater bezeichnen, das 1719 eingeweiht und 1740 bis 1744 von oben genannter Wilhelmine umgestaltet wurde. Im Verhältnis zum Bayreuther Haus wirkt der Zuschauerraum in Weiß, Gold, Grün und Rot geradezu dezent.
Ziemlich aus dem Rahmen fällt das Parktheater im Kurhaus Göggingen, eine filigrane Gusseisenkonstruktion von 1886, die sich fast durchgehend mit Buntglasfenstern nach außen öffnet. Innen wirkt das Gebäude wie eines der alten Palmenhäuser in botanischen Gärten. Die Außenfassade »eines der bedeutendsten und prächtigsten Zeugnisse historistischer Architekturgeschichte und Raumgestaltung in Bayern« ist dagegen im Neurenaissancestil gehalten. Nachdem es jahrzehntelang vergammelte und 1972 ausbrannte, wurde das Paradebeispiel des Historismus von 1988 bis 1996 möglichst originalgetreu instandgesetzt. Dass Jugendstil vom selben Architekten zwei Mal ganz unterschiedlich aussehen kann, zeigen die Münchner Kammerspiele und das Kurtheater Bad Kissingen, die 1900 sowie 1904/05 von Max Littmann erbaut wurden. Die florale Innenausstattung in München übernahm Richard Riemerschmid, während in Bad Kissingen der Maler Julius Mössel die ovale Ornamentik entwarf. Doch in den dezent geschwungenen Formen der Zuschauergänge erkennt man die Verwandtschaft der Gebäude. Die ganz- und doppelseitigen Abbildungen des Prachtbandes feiern die Theater. Und das ist nötiger denn je. ||
MATHIAS PFEIL (HRSG.): THEATER IN BAYERN. KULTUR IM DENKMAL – SCHAUSPIEL- UND OPERNHÄUSER, VOLKSBÜHNEN, MARIONETTENTHEATER UND KINOS
Volk Verlag, 2021 | 264 Seiten | zahlreiche Abbildungen 49,90 Euro
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