Pandora Pop sucht in »The Heat oder Ghost Riders In The Sky« im HochX nach Gemeinsamkeiten von Grenzen.
Pandora Pop: The Heat oder Ghost Riders In The Sky
Todestanz an der Mauer
Ausgemergelte Geisterreiter auf feuerschnaubenden Pferden tauchen hoch oben am Firmament auf. Sie mahnen den Cowboy auf Erden, sein Leben zu ändern. Andernfalls sei er auf ewig dazu verdammt, mit ihnen die Herde des Teufels in der endlosen Weite des Himmels zu jagen. Davon erzählt der 1948 veröffentlichte Countrysong »(Ghost) Riders In The Sky« von Stan Jones.
Das Theaterkollektiv Pandora Pop greift den Song in seiner neuesten Performance »The Heat oder Ghost Riders In The Sky« auf. An die Stelle der Geisterreiter treten tanzende Skelette. Sie mahnen nicht den Cowboy, sondern die westliche Welt, die ihr Verhalten gegenüber Geflüchteten ändern soll. Ob an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, Griechenland und der Türkei oder aktuell zwischen Polen und Belarus: Mit Grenzanlagen, Zäunen und Mauern will sich der Westen vor denen schützen, die das Pech haben, im falschen Land geboren worden zu sein. Dabei proklamierte noch 1987 der damalige USPräsident Ronald Reagan an der Berliner Mauer »Tear down this wall!«. Knapp 30 Jahre später hat der Westen längst sein eigenes Grenzregime errichtet.
»The Heat oder Ghost Riders In The Sky« spürt den Facetten von Flucht und Abschottung nach. In ihrer Kindheit selbst vom Eisernen Vorhang geprägt, aber in der privilegierten Position von Europäern aufgewachsen, fragen sich die Mitglieder von Pandora Pop, was es bedeutet, Grenzen nicht ohne Weiteres passieren zu können. Für ihre Recherche reisten sie im Sommer 2018 an die amerikanisch-mexikanische Grenze bei San Diego und Tijuana. Damals verfolgte Ex-Präsident Donald Trump noch sein Ziel, eine 3200 Kilometer lange Grenzmauer zu bauen.
Für Anna Winde-Hertling, Regisseurin und Performerin bei Pandora Pop, war das auch der Ausgangsgedanke der Stückentwicklung. Sie hat Freunde in den USA, die Trumps Mauerbau hautnah miterlebten: »Die Verzweiflung meiner amerikanischen Freunde wurde immer größer. Gleichzeitig gab es bei uns die Flüchtlingskrise in Europa. Der Mauerbau Trumps und die Flüchtlingskrise besitzen unmittelbare Verbindungen. Und beides so nah mitzubekommen, war Anlass, sich dieses Themas anzunehmen.«
Mit zwei Teamkollegen reiste sie in die USA. Dort trafen sie Grenzbeamte bei ihrer Arbeit und sprachen mit einem Geflüchteten, der es beim sechsten Versuch erfolgreich über die Grenze schaffte. Sie halfen den »Border Angels«, Wasser für Migranten in der Wüste von Jacumba zu verteilen. Sie inspizierten Trumps Mauerprototypen und besuchten ein Frauenhaus in Tijuana. Hilfe bei der Recherche bekamen sie von der Aktivistin und Szenenbildnerin Tanya Orellana aus Los Angeles und Michael Rodriguez, der in San Diego aufgewachsen ist. Ihre Recherche verarbeiten die vier Mitglieder von Pandora Pop, Anna Winde-Hertling, Norman Grotegut, Gunnar Seidel und Thorsten Bihegue, in einem Mix aus Dokumentation und Fiktion. Die Bühne wird zu einem Ort zwischen Realität und Imagination.
Mit filmischen Elementen, Liveanimation, Greenscreen und Schauspiel entsteht eine Collage aus dem Möglichen und Tatsächlichen. »Wir sind in die USA gereist, um nach den Gemeinsamkeiten von Grenzen zu suchen. In der Inszenierung werden wir auch versuchen, die Überwindungsmethoden, die damals an der deutsch-deutschen Mauer vollzogen wurden, auf die Grenzanlage in der Wüste zu übertragen. Mit diesem Blick haben wir uns das Ganze dort angeschaut«, so Anna Winde-Hertling. Das Ergebnis der Recherche gibt es nun im HochX zu sehen. ||
THE HEAT ODER GHOST RIDERS IN THE SKY
HochX | Entenbachstr. 37 | 14.–16. Juni.
20 Uhr | Tickets: 089 90155102
Weitere Theaterkritiken finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Der Drang: Franz Xaver Kroetz' Stück im Residenztheater
Funky Town: Ein Show-Highlight aus dem GOP Varieté
Split & Merge: Die Gastspielreihe von Pathos und HochX
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton