Ein Gasteig macht dicht, der andere auf. Das HP8 will als Interimsquartier viele Akzente setzen und gönnt sich einen sukzessiven Start.
HP8 – Eröffnung des Gasteig-Interimsquartiers
Umzug mit Vorzug
Es tut sich was im Münchner Süden. Am 15. Oktober wird die Spielzeit im Münchner Volkstheater und damit das neue Gebäude im Viehhof offiziell eröffnet. Mit dem Zwischennutzungsprojekt »Sugar Mountain« wurde in Obersendling vor ein paar Monaten eine raue Fabrikbrache kulturell wiederbelebt (auch wenn diese wegen Corona seitdem gefühlt im Stop-andgo-Rhythmus taumelt). Und am 8. Oktober geht nun auch das Gasteig HP8 an den Start: Das in der Sendlinger Hans-Preißinger-Straße fast direkt an der Isar gelegene Ausweichquartier des Gasteigs, das wegen dessen anstehender Sanierung nötig geworden ist. Der Umzug, er klingt wie ein notwendiges Übel. Aber er könnte sich im Nachhinein auch als Dornröschenkuss erweisen. Zumindest wenn man verschiedensten Statements Glauben schenkt. Die FAZ hat das HP8 als »Interims-Wunder an der Isar« beschrieben, Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner spricht von »Kult« und einer »innovativen Ausstrahlung«. Kulturreferent Anton Biebl nennt es einen »pulsierenden, neuen Ort« und der Dirigent der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev fasste seine Euphorie mit dem Satz »It will be magnificent« zusammen.
Große Vorschusslorbeeren also, an denen bisher eigentlich nur ein direkter Anwohner kritisch herumgezupft hat. Einen »grauen Kultursarkophag« hat er die neu gebaute Isarphilharmonie genannt, die neben der umgebauten, denkmalgeschützten Halle E eines der zentralen Gebäude des HP8 darstellt. Der Grund: Statt auf den Flaucher schaut er nun auf eine graue Wand, die sich laut Gasteig-Team auch nicht nachträglich begrünen lässt, weil das den Zeitplan durcheinanderbringen würde. Also außen pfui und innen hui? Nun gut, wirklich allen kann man es wohl nie recht machen. Wobei andererseits gerade das über den Erfolg des Interimsquartiers des Gasteigs mit entscheiden kann. Das heißt, wie es in der direkten Umgebung in Sendling wirkt und ankommt. Dort gibt es mit dem Feierwerk, dem Stemmerhof, der Sendlinger Kulturschmiede, dem Klohäuschen, der Alten Utting oder dem Café Gans am Wasser schon ein paar kleine kulturelle Leuchttürme. Aber als wirklich pulsierendes Kulturviertel fiel Sendling bisher dann doch nicht auf.
Jürgen Moises HP8-Artikel von 10. September 2021
Da könnte das HP8 mit seinen verschiedenen Institutionen und Akteuren wie den Münchner Philharmonikern, der Münchner Stadtbibliothek, der Münchner Volkshochschule, dem Münchner Kammerorchester und der Hochschule für Musik und Theater tatsächlich wichtige Impulse setzen. Hinzu kommt, dass es auf dem Gelände bereits ein Haus mit Künstlerateliers gibt. In einem weiteren haben unter anderem das International Munich Art Lab sowie ein Design- und ein Architekturbüro ihren Platz. Für eine künstlerische Wechselwirkung nicht die schlechteste Voraussetzung. Dass die Stadtbibliothek in der Halle E täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet sein wird, ist ein weiteres Zeichen kultureller Offenheit. Genauso könnten das Foyer, das Café und die Galerie dort zu Orten regen Austauschs werden. Und vom Saal X heißt es, dass es dort Kino, Lesungen, Tanz- und Theaterveranstaltungen, Performances und Installationen geben wird. Schaut man in das bereits feststehende Saal-X-Programm, sind dort statt der versprochenen Vielfalt bisher nur zwei Lesungen, ein Theaterstück und die »International Guitar Night« zu finden. Aber das wird sich, so heißt es von Seiten der Gasteig-Pressestelle, in den nächsten Wochen und Monaten noch füllen. Ein Grund für den eher ruhigen Start sei, dass bis zum Frühjahr 2022 der Gasteig noch bespielt wird. Und tatsächlich werden ja auch die Musik- und die Volkshochschule erst im Frühjahr raus nach Sendling ziehen. Wenn das passiert und die Studierenden und Volkshochschüler ihre neuen Räume beziehen, dürfte auch das zu mehr Leben, Austausch und Bewegung führen.
Ein weiterer Aspekt: Die Eröffnung ist nicht als Tag oder als Wochenende, sondern als sechsmonatige Staffel geplant. Dabei wird jeden Monat ein anderes Gasteig-Institut die Feder führen. Bis jetzt habe jedoch, so Pressesprecher Michael Amtmann, noch nicht jeder sein Programm »geliefert«. Wer beeindruckend vorgelegt hat, das sind die Philharmoniker. Sie haben neue Formate, zahlreiche Uraufführungen, Wandelund Nachbarschaftskonzerte geplant, den ersten Abend wird Christoph Marthaler gestalten. Zudem wird der Umzug nicht nur Klassikstars wie Kent Nagano, Zubin Mehta oder Nigel Kennedy, sondern etwa auch die Fado-Sängerin Mariza und die Indierockband Tindersticks nach Sendling führen. Und die freie Szene? Die soll im HP8 ebenfalls ihren Platz haben. Kooperationen etwa mit der Alten Utting oder dem Bahnwärter Thiel sind fest geplant. Auch will man für die lokale Szene wichtige Formate wie »Digitalanalog« oder »Klangfest« mit an die Isar nehmen. Ein Ort für alle? Einer, der zu neuen Impulsen und Vernetzungen führt? Das könnte das HP8 tatsächlich im Idealfall werden. Will it be magnificent? Man wird es sehen. ||
GASTEIG – INTERIM HP8, ERÖFFNUNG
Interim – HP8 | Hans-Preißinger-Str. 8 | ab 8. Oktober
Tickets: 089 54818181
Mehr über das Münchner Kulturgeschehen gibt es in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Jazzwoche Burghausen 2022: Mit Joy Denalane, Alma Naidu, Shake Stew
Sting, Jeff Beck, Johnny Depp: Live beim Tollwood
Tollwood 2022: Patti Smith, Gábor Miklós Szöke und vieles mehr
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton