Denis Villeneuve wagt sich an die Weltraum-Oper »Dune«. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, ist aber auch kein Sandsturm der Bilder.

»Dune« von Denis Villeneuve

Von Würmern, Aristokraten und Erlösern

Dune

Timothée Chalamet und Rebecca Ferguson in Denis Villneuves werkgetreuer Verfilmung des Sci-Fi-Klassikers »Dune« | © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc

Verfeindete Adelsgeschlechter, eine galaktische Wunderdroge, Weltraumhexen, gargantueske Würmer und ein übermenschlicher Auserwählter: man muss kein Science-Fiction-Nerd sein, um die Faszination von »Dune« zu fühlen. Der Amerikaner Frank Herbert veröffentlichte 1965 den ersten Teil seines Romanzyklus, der schon lange zu den großen Epen des Genres gehört. Denis Villeneuve (»Arrival«, »Blade Runner 2049«) hat sich nun an die komplexe Galaxie des Wüstenplaneten gewagt. Springen wir ins Jahr 10190: Der Planet Arrakis, auch genannt Dune, ist Dreh- und Angelpunkt intergalaktischer Interessen. Neben Unmengen von Sand beherbergt er auch die wertvollste Substanz des Universums: das Spice. Diese Droge ist nicht nur für die Raumfahrt unabdingbar, sondern beschenkt den Konsumenten auch mit physischen und telepathischen Höchstleistungen. Der Abbau ist jedoch kein Buddeln im Sandkasten. Neben riesigen Würmern, die ganze Bohrstationen verschlingen, haben die Verwalter des Planeten, das Geschlecht der Harkonnen, auch mit den Eingeborenen, den Fremen, zu kämpfen. Doch ein Machtwechsel kündigt sich an: Der Imperator übergibt die Kontrolle über Arrakis an die Atreides, die Familie, mit der die Harkonnen schon seit Urzeiten im Clinch liegen.

Der Nachfolger der Enttäuschungen

So viel Überblick muss hier sein. Die wohl schwierigste Aufgabe für Villeneuve bestand darin, das extrem detaillierte »Dune«-Universum Uneingeweihten schmackhaft zu machen. Vor ihm versuchte das 1984 bereits David Lynch, der mit seiner Adaption zwar ein herrliches Camp-Fest, jedoch auch ein konfuses Durcheinander ablieferte. Projekte unter der Leitung von Ridley Scott oder dem Undergroundguru Alejandro Jodorowksy (der Dokumentarfilm »Jodorowsky’s Dune« von Frank Pavich sei hier wärmstens empfohlen) wurden schon im Keim erstickt. John Harrison wagte sich zu Beginn des Jahrtausends mit einer gleichnamigen Miniserie an den Stoff, die von der Kritik allerdings nicht gerade wohlwollend aufgenommen wurde. Der kanadische Regisseur hat sich also einiges vorgenommen.

Der Messias in der Wüste

Wenn es um die Beschreibung dieser Welt mit all ihren eigentümlichen Gegebenheiten geht, ist ihm hier jedenfalls ein Erfolg gelungen. Erstbetretern des sandigen Gebiets wird genug Zeit gegeben, um sich zurechtzufinden. Was bei Lynch noch zwischen Dünen der Überforderung unterging, tut sich hier als wundersame und beeindruckende Welt auf, die den Zuschauer sofort in ihren Bann schlägt. Dabei schafft es der Film auch, sich nicht zu sehr in Details zu verlieren, was bei einer solchen Vorlage nur allzu leicht passieren kann. Denn schließlich geht es im Kern um Paul (Timothée Chalamet), den Sohn von Herzog Atreides (Oscar Isaac), der in der kargen Wüste seine Bestimmung finden soll. Als die Familie schließlich auf ihrem neuen Besitz ankommt, wird ihr schnell klar, dass es sich um eine Falle handelt, ausgeklügelt vom feindlichen Adelshaus in Zusammenarbeit mit dem Imperator, der die zunehmende Macht der Artreides fürchtet. Der Vater wird getötet, der junge Erbe und seine Mutter (Rebecca Ferguson) sind auf einmal in den unmenschlichen Weiten des Planeten auf sich gestellt. Hier muss sich nun zeigen, was in Paul steckt. Von seiner Mutter, einer Vertreterin der Bene Gesserit, einer Art Hexengeschlecht, hat er magische Kräfte geerbt. Außerdem könnte es sein, dass er die Erfüllung einer uralten Prophezeiung ist, der eines lang ersehnten Messias.

Mehr Pomp, bitte

Auch wenn es erstaunlich klingt, aber »Dune« schafft das Ganze unter einen Hut zu bringen. Die Erzählung geht ohne Stocken voran und bietet Blockbuster-Kino im besten Sinne. Dazu noch – und das wird man auch als Arthaus-Jünger nicht bestreiten können – kommt man visuell auf seine Kosten, wenn gigantische Raumschiffe, endlose Dünenlandschaften und monströse Wurmwesen über die Leinwand flimmern. Eine rundum gelungene Space-Opera also? Nicht ganz. Bei all dem Positiven fehlt eine eigene Handschrift. Anscheinend fühlte sich Villeneuve seiner Vorlage gegenüber so verpflichtet, dass er sich davor hütete, zu viele eigene Ideen mit einzubringen. Man mag an Lynchs Versuch einiges bemängeln können, mit seiner exzentrischen Gestaltung prägt sich dieser zumindest ein. So imposant Raumschiffe und Paläste nun hier auch sein mögen, man wirft alles schnell wieder auf den Haufen des Bekannten. So könnte es auch mit dem ganzen Film geschehen, der leider zu wenig Experimentierfreude wagt. Sich das einzugestehen, ist wirklich schade, da man merkt, dass Villeneuve mit Herberts Erbe gut umgehen kann. Auch hat er sich davor gehütet, die ganze Story in einen Film zu quetschen, »Part 2« befindet sich gerade in der Pre-Production. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Gewebe aus Mystik und Politik, Tragödie und Bombast-Unterhaltung dann vielleicht zur vollen Größe gelangen wird. ||

DUNE
USA 2021 | Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Denis Villeneuve, John Spaihts, Eric Roth | Mit Timothée Chalamet, Rebecca Fergusson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Stellan Skarsgård u. a. | 155 Minuten
seit 16. September im Kino

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