Backen und den Tisch decken – die Keramikerin Billa Reitzner liebt beides. Ein Porträt.

Billa Reitzner

Umgangsformen

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Billa Reitzner | © Luis Gervasi

»Meine Großeltern waren Bäcker und meine Großmutter hat auch noch geklöppelt. Vielleicht kommt da irgendein Bezug zu meinen geschnittenen Schalen her.« Und wirklich sehen Billa Reitzners »geschnittene Schalen« aus wie gebackene Spitze: weiße oder auch mal schwarze Porzellanschalen, aus denen sie noch vor dem Brand mit einem sehr spitzen und sehr scharfen Messer Kreise, Ovale oder andere Lochmuster herausschneidet. »Zwischen ganz feucht und trocken gibt es einen Zustand, der heißt lederhart, da behält die Porzellanmasse die Form und man kann sie bearbeiten.« Jede Form wird einzeln herausgeschnitten, ohne Schablone und mit einem Höchstmaß an Konzentration und Fingerfertigkeit. 2017 erhielt Billa Reitzner für diese Arbeiten den Bayerischen Staatspreis für Gestaltung, außerdem ist sie Trägerin des Dießener Keramikpreises, ist in Galerien vertreten und nimmt regelmäßig an Ausstellungen etwa der Galerie Handwerk teil.

Geschnittene Schalen

Dank ihres treuen Kundenstamms ist die Münchnerin bisher recht gut durch die Krise gekommen. Ihr Glück: Sie hat einen eigenen »Showroom« gleich neben ihrer Werkstatt in der Giesinger Zugspitzstraße. Sie ist also nicht nur auf Märkte angewiesen, wie etwa den Dießener Töpfermarkt, der sein 20-jähriges Jubiläum coronabedingt nicht feiern konnte und nun bereits zum zweiten Mal in Folge ausfällt. In ihrem Showroom präsentiert Reitzner ihre Arbeiten: Darunter viele Servierplatten verschiedenster Größe und voller grafischer Muster, meist Schwarz-Weiß, aber auch in Rot oder Orange. Manche ihrer Servierpatten sind so schön, dass einige Kunden sie sich einfach an die Wand hängen. Die Grundformen der Muster sind geometrisch: Kreise, Punkte, hauchzarte Linien. Nichts wirkt steif oder starr, vielmehr menschlich, spielerisch, und leicht. Dafür sorgen minimale Abweichungen oder auch der Herstellungsprozess: Das Porzellan verglast im Ofen und wird dabei ein bisschen weich. Dadurch senken sich die freistehenden Ecken und die Mitte der Platten leicht ab. »Man merkt, dass es sich mal bewegt hat im Ofen, die Stücke haben immer noch die Erinnerung an diese Bewegung.« Auch die Porzellanmasse, mit der sie arbeitet, sorgt für eine »weiche« Grundstimmung: »Das ist nicht bläulich weiß, sondern so ein bisschen cremefarben. Das finde ich viel schöner, wenn man Speisen auf dem Teller hat. Das Bläuliche ist mir irgendwie zu hart.« Was auffällt: Die Platten haben keinen farblich akzentuierten, abschließenden Rand, sondern die Muster sind immer angeschnitten, »weil das dann so darüber hinausweist. Wenn man es betrachtet, vervollständigt man es eigentlich, also man beschäftigt sich sofort damit«.

Man denkt das Stück im Kopf weiter. Dieser Gedanke gefällt Billa Reitzner: dass die Nutzer dem Stück etwas Eigenes hinzufügen, es auf ihre eigene Weise benutzen, schließlich arbeitet jeder anders im Haushalt, hat andere Handbewegungen, andere Abläufe. Ganz besonders gilt das für ihre Löffel aus schwarzem oder weißem Porzellan, manche winzig, andere breit und flach oder mit Löchern in der Laffe. »Manchmal fragen Leute: Für was kann man die denn nehmen? Das weiß ich nicht! Ich finde es schön, wenn die Menschen ihre eigene Verwendung finden, so kleine Alltagsrituale. Ich habe eine Kundin, die nimmt jeden Tag ihr Frühstücksei mit dem Löffel aus dem Wasser – nur dafür gibt es diesen Löffel. Jemand anderes nimmt immer einen weißen Löffel für die Sahne: So ein spielerischer Umgang freut mich sehr.«

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Servierplatten

Ihre Leidenschaft für Keramik ist Billa Reitzner auch nach 40 Berufsjahren nicht abhandengekommen. Noch immer ist sie fasziniert von der Wandlungsfähigkeit des Materials: weich und glitschig bei der Bearbeitung, steinhart und ein gutes Stück kleiner nach dem Brand. Keramik hat es ihr auch deshalb angetan, weil man die Dinge wirklich benutzen kann. »Das hat etwas Körperliches: Die Kanne, aus der man etwas ausgießt, die Schale, die man in der Hand hat: das verbindet sich mit dem Körper.« Auch bei der Herstellung der Sachen spielt der Körper eine wichtige Rolle: »Beim Drehen ist es ganz wichtig, richtig dazusitzen, zentriert zu sein. Am besten ist es eigentlich, wenn ich die Hände vergesse, das fließt dann so. Es gibt aber auch Tage, da finden die Hände nicht zueinander. Ich habe ja eine Hand innen und die andere außen, dazwischen läuft das Porzellan, und die müssen aufeinander reagieren.« Feldenkrais und Thai Chi helfen ihr, die Verbindung zu ihrem eigenen Körper zu stärken und eine Präsenz herzustellen, die den ganzen Körper umfasst, die nicht starr, sondern in der Bewegung verankert ist.

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Tafelaufsätze aus Steinzeug | © Billa Reitzner (3)

Zu ihrer Liebe zur Keramik gesellt sich die Liebe zum Backen. »Ich backe gern. Ich backe Kuchen und ich backe Keramik!« Und wie schaut es eigentlich auf dem eigenen Esstisch aus? »Manchmal wird der Tisch bewusst gedeckt, manchmal unbewusst, ich mag da keine Starrheit. Man hat Stücke, die man liebt, die vielleicht nicht schön sind oder wo der Henkel ab ist, aber da hängen irgendwelche Erinnerungen dran, das berührt einen. Also ich bin da nicht so streng, dass das alles so in einem Stil sein muss. lch benutze mein eigenes Porzellanservice und dann kaufe ich gern von Kollegen dazu, als Akzente. Das erinnert mich an eine Situation oder an die Person.«

Die Ruhe im Lockdown hat Billa Reitzner zu nutzen gewusst. Sie hat in dieser Zeit eine Werkgruppe mit einem völlig neuen Charakter entwickelt: Platten aus Steinzeug, bemalt mit gefärbtem Porzellanschlicker, die wie ein Tafelaufsatz funktionieren. Nur eben nicht wie in den schnörkeligen Formen des Barock, sondern in einer ganz klaren geometrischen Formensprache. »Die sind für den Tisch gedacht als etwa Schönes, was da liegt. Man kann was Heißes drauf tun, man kann Speisen drauflegen.« Das spielerische Element kommt auch hier nicht zu kurz: Was auf der einen Seite wie Griffe für ein Tablett funktioniert, wird zu Füßen, wenn man die Platte umdreht. In manchen Füßen verbirgt sich auch noch eine kleine Schale, die man als Eierbecher nutzen kann oder für Oliven. »Umgangsformen« nennt Billa Reitzner diese modernen Tafelaufsätze. »Ich mag dieses Offene, wenn jeder damit umgeht, wie er mag. Es ist ein Angebot, das ich mache.« ||

BILLA REITZNER
Zugspitzstraße 14, München-Giesing | Tel. 089
4891923 | Website | Instagram

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