Thomas Vinterberg schickt Mads Mikkelsen in »Der Rausch« in die Abgründe einer Midlife-Crisis.

»Der Rausch« von Thomas Vinterberg

Am Rande des Nervenzusammenbruchs

der rausch

Will vom Kater nach dem Rausch nichts wissen: Mads Mikkelsen in »Der Rausch« | © Henrik Ohsten

»Es hat keinen Sinn, Sorgen in Alkohol ertränken zu wollen, denn Sorgen sind gute Schwimmer.« Ach, wenn der gleichfalls lethargische wie midlifecrisisgeplagte Lehrer Martin (Mads Mikkelsen) doch nur Robert Musils spätes Bonmot gekannt hätte, denkt man unwillkürlich zu Beginn von Thomas Vinterbergs vielfach prämierter Tragikomödie »Der Rausch«, dann hätte der ausgebrannte Melancholiker nicht kurzzeitig sein Ehe- und Familienleben ruiniert, seine besten Freunde und deren Ehefrauen gegeneinander aufgebracht und schließlich seinen festen Arbeitsplatz wie seine eigene Gesundheit vollends riskiert. Stattdessen stürzt sich der von Selbstzweifeln und Lebensmüdigkeit geplagte Pauker, der vom Kollegium wie von seinen Schülern schon länger nicht mehr ernst genommen wird, nach einer feuchtfröhlichen Runde mit seinen drei Lehrer- und Lebensfreunden, die am selben Gymnasium unterrichten, Hals über Kopf in ein ebenso verrücktes wie gefährliches Experiment: Nach dem eher kruden denn überzeugenden Theorieansatz eines norwegischen Philosophen sei der Mensch lediglich mit einem erhöhten Alkoholgehalt im Blut in der Lage, beständige Höchstleistungen zu vollbringen. Genau das wollen die vier Kumpels im Selbsttest überprüfen. Und so steigt nicht nur der Stimmungspegel gewaltig in diesem aufwühlenden Meisterstück tragikomischer Verflechtungen, das durch sein fulminant aufspielendes Darstellerensemble Herz und Hirn berührt und zugleich infolge seiner minütlich zunehmenden Durchschlagskraft überzeugt.

Schließlich folgt auf jeden titelgebenden Rausch auch im echten Leben ein radikal ernüchternder Kater: und die Party ist aus. Doch vorher will wirklich jeder Mads Mikkelsen euphorisch am Hafensteg und losgelöst von allen inneren und äußeren Zwängen vor seinen Schülern tanzen sehen! Zurück in die Herzen der KinozuschauerInnen wie ins endlich wieder real erlebbare Kinoglück. Denn Thomas Vinterbergs entzückendes Buddy-Movie für weiße Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs spielt in der Summe grandios auf der Gefühlsklaviatur – und macht regelrecht betrunken vor Glück. Skål! ||

Thomas Vinterberg im Interview

DER RAUSCH
Dänemark, Schweden, Niederlande 2020
Regie: Thomas Vinterberg | Mit: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen u.a. | 116 Minuten
Kinostart: 22. Juli
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