Gleich zwei Mal Theater für Kinder und Jugendliche: »Rampenlichter« zeigt Produktionen von Jugendtheatergruppen. »Kuckuck« wendet sich an Kinder bis fünf Jahre.

Theater für Kinder und Jugendliche: »Rampenlichter« & »Kuckuck«

Zusammen ist man weniger allein

rampenlichter

»Zucht« lassen die Performerinnen Muskeln spielen | © Clemens Nestor

Corona und die staatlich verordneten Lebensbeschränkungen haben tiefe Wunden in der Gesellschaft hinterlassen, besonders auch bei Kindern und Jugendlichen, denen man fast anderthalb Jahre lang soziale Interaktion verweigerte, die für ihre Entwicklung essenziell ist. Wie sich das für Jugendliche anfühlte, kann man beim zwölften Festival Rampenlichter erfahren. Das Festival ist eine Art Best-of von jungen Theatergruppen, die an Stadtoder Staatstheatern angedockt sind. Im Programm für alle sind elf Stücke live zu sehen, acht Produktionen als Video-on-Demand.

Die meisten Inszenierungen mussten coronabedingt mit wenig Kontakt erarbeitet werden, so scheint das Thema immer wieder durch, auch wenn es nicht vordergründig ist wie in »Stück 04« von Ensample, dem Jungen Tanztheater aus Herne. Als das Ensemble im Herbst 2019 »Unruhe« als Thema für seine Produktion wählte, sah die Welt noch anders aus. Ein paar Monate später: leere Straßen und leere Plätze und gleichzeitig Gruppen bei Demos von Menschen, die den Corona-Verboten nicht zustimmten. Das Getrappel von Schritten unterlegt die Performance. »Unruhe treibt durch die Gassen, verbindet und trennt, schreit auf und zerstört …«, heißt es. Die 13 jungen Tänzerinnen und Tänzer aus den Bereichen Breakdance, Popping, Ballett, Hip-Hop- und Modern Dance fragen: Was haben die Proteste gemeinsam? Welche Unruhe treibt einen selbst, um auf die Straße zu gehen?

Auf die Straße ging auch das Theater X, NeXt Generation Ensemble aus Berlin, um die Forderungen und Strategien von (Jugend-)Bewegungen kennenzulernen und zu verstehen, egal ob globale Klimagerechtigkeit oder Queerfeminismus. »Wessen Zukunft zählt und wessen nicht?«, lautet ihre Kernfrage. Die Zukunft sitzt auf den Schultern derjenigen, die für eine gerechtere Gegenwart kämpfen, stellten sie fest und nannten ihre Theater-Film-Performance »Apokalypse yesterday«, denn sie war schon immer da, die Apokalypse, in Form von Krieg, Klimakatastrophen, Diktaturen, nicht unbedingt hier, aber irgendwo auf der Welt.

Ganz eindeutig bezieht sich »Masken der Pandemie« auf Corona. Das Tanztheater von Kindern aus Gruppenunterkünften sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen verwendet selbst gestaltete sogenannte Gefühlsmasken, um tänzerisch auszudrücken, wie sie den Alltag in der Pandemie erlebt haben. Auf andere Art abstrahiert die Gruppe Mission Inklusion der Bürgerbühne Düsseldorf. In »Erzähl mir keine Märchen« bringen die Jugendlichen eine klassische Heldenreise auf die Bühne und greifen tief in die Fantasykiste mit Drachen, Feen, Einhörnern und Kobolden. Letztendlich geht es um Freundschaft.

Die Muskeln spielen lassen die vier Performerinnen vom TaO! – Theater am Ortweinplatz aus Graz in »Zucht«. Dass Jugendliche sich mit Drill und Unterordnung beschäftigen, mutet reichlich seltsam an. Genau das macht das Körpertheater, indem es untersucht, ob Strenge Kraft und Orientierung gibt, welchen Reiz Autorität, Zucht und Ordnung in einer bürgerlichen Gesellschaft besitzen und wie tief sie in Menschenbildern verankert sind, unter anderem in modernen Selbstinszenierungen der neuen Rechten, die den Übermenschen durch militärischen Drill feiern.

Ebenfalls coronabedingt filmisch musste »Real but not real«, ein virtuelles Tanz- und Theaterprojekt mit Jugendlichen am Theaterhaus Stuttgart entstehen. Ihr Thema ist die Manipulation der Wirklichkeit in den sozialen Netzwerken. Durch das Zusammenschneiden und Übereinanderlegen verschiedener Filmsequenzen wurden Bilder geschaffen, die so nicht stattgefunden haben. Da wird der Urlaub auf Insta schöner dargestellt, als er ist.

Erinnerungskultur schaffen wollen Schülerinnen und Schüler von sieben Münchner Schulen mit den Mitteln Bewegung, Film, Tanz und Theater, indem sie vergessene Orte theatral bespielen. Die Multimediaperformance »Um 2 Uhr noch mal Kaffee« stellt die Frage, ob Gebäude und Steine eigentlich reden können. In diesem Fall das sogenannte »Judenlager« Milbertshofen, aus dem frühmorgens am 20. November 1941 rund 1000 Münchner Jüdinnen und Juden in den Tod deportiert wurden.

Wer nach der langen Zeit vor dem Bildschirm trotzdem noch Lust auf Onlinetheater hat, dem seien die acht Onlineproduktionen des Rampenlichter-Festivals empfohlen. In »How to control your anger in ten easy steps Quarantine« lässt die Junge Neuköllner Oper ihrem Frust freie Bahn. Und »Geh, fühle!« vom GRIPS Theater und RambaZamba Theater aus Berlin thematisiert die Abwesenheit von Berührungen und wie man sich nach der seuchenbedingten Lähmung wieder ins Leben zurückkämpft.

theater für kinder

Kopfüber ins Bällebad bei »Playscape deluxe« | © Kattoo Hillewaere

Überhaupt erst mal ins Leben reinfinden müssen sich auch Kleinkinder, denen die Isolation des gefühlt ewigen Lockdowns eine normale soziale Entwicklung gründlich versaut hat, zu der der Kontakt mit Gleichaltrigen zwingend gehört. Bei Kuckuck, dem Festival, das Theater für Kinder bis fünf Jahren bietet, hat Begegnung jedenfalls oberste Priorität. Von 9. bis 19. Juli zeigen die Schauburg, das Stadtmuseum und die Familien-Bildungsstätte Elly Heuss-Knapp zwölf Produktionen inklusive Ariel Dorons wandelndem Zoo plus ein Stück für Kindergärten. Dinge, Gegenstände, Sachen spielen in vielen Inszenierungen eine herausragende Rolle. Die Untersuchung eines goldenen Klumpens vom Theater Chemnitz heißt einfach »Ding. Was Sachen machen«, und Karoline Hoffmann erkundet den formbaren Gegenstand. Loraine Iff von der Theaterkiste
Bergen/Stuttgart lässt in »Schwimm Socke, schwimm« einen Wäscheberg lebendig werden. Wiersma & Smeets richten gleich einen ganzen Spielgarten ein. In »Lab Ludopia« hängen und stehen Gegenstände vom Pümpel bis zum Drehbohrer, bereit, von den Kindern zum Schaukeln, Drehen und Schlenkern gebracht zu werden. Ein Bällebad der besonderen Art richten Den Draad & IMAGINART im Hof des Stadtmuseums ein. »Playscape deluxe« ist eine Abenteuerburg aus umhäkelten Bällen zum Reinspringen.

Zweites Standbein ist das Spiel mit Figuren, zum Beispiel Teddy Brumm vom marotte Figurentheater, der nach einem Streit mit Klaus davonläuft. Oder die Knetmanschkerlgeschichte vom blauen und roten Kerl vom Theater Geist »Du hast angefangen! Nein, Du!«, in der die Kerle erst eine Mauer einwerfen müssen, um zu merken, dass sie dasselbe sehen. Musikalisch wird es in »Do-Re-Mi-Ka-Do« von de Stilte, wo Helene aus allem Geräusche hervorholt. Ebenso beim OpenAir-Konzert »Auf dem Bauernhof« von mini.musik, das Schweine zum Tanzen bringt, und bei den Urlaubs- und Tierliedern »Nenn mich nicht mehr Häselein« von der Combo Café Unterzucker. Das Festival bietet also jede Menge Möglichkeiten zum Singen, Lachen, Mitmachen und einfach nur Zuschauen. Aber mit anderen, nicht mehr allein. ||

RAMPENLICHTER
Schwere Reiter | Dachauer Str. 114 | 9.–22. Juli | 19 Uhr
Tickets und Gesamtprogramm: 089 52300694

KUCKUCK – THEATERFESTIVAL FÜR ANFÄNGER
Verschiedene Orte | 9.–19. Juli | Programm und Tickets

Mehr Theater für Kinder und Erwachsene gibt es in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk

 


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