Regisseurin Maria Schrader brilliert mit »Ich bin dein Mensch«, einer Liebesgeschichte, die zeitgemäßer nicht sein könnte. Ab jetzt im Kino!

»Ich bin ein Mensch« von Maria Schrader

Der bessere Mensch

ich bin dein mensch

Fasziniert beobachtet Alma (Maren Eggert) den für sie persönlich programmierten Androiden Tom (Dan Stevens) beim ersten Treffen in einem Tanzclub | © Christine Fenzl/Majestic

Tom kann einfach alles. Sogar tanzen: ausladend, dramatisch, präzise und souverän bei jedem Schritt. Bis er hängen bleibt wie eine Schallplatte mit Sprung und eine Bewegung lächerlich so lange ruckartig wiederholt, bis ihn seine Betreuerin (Sandra Hüller) von der Tanzfläche holt. »Sie glauben nicht, wie kompliziert es ist, einen Flirt zu programmieren«, sagt sie zu Alma an der Bar. »Hologramme sind billiger und ausdauernder beim Tanzen.« Anna ist fasziniert und staunt nicht schlecht. Denn Tom ist eine Maschine, weit entwickelt, aber noch nicht ganz perfekt. Fast wie ein Mensch. Tom ist exakt auf die Bedürfnisse von Versuchskaninchen Dr. Alma Felser zugeschnitten. Sie nimmt an einer tollkühnen Studie teil: Drei Wochen lang soll sie, Wissenschaftlerin am Berliner Pergamonmuseum, mit einem humanoiden Roboter zusammenleben, der als ihr perfekter Lebenspartner programmiert ist. Die Studie ist relevant für die Entscheidung des Ethikrats, ob Roboter künftig heiraten dürfen. Alma und einige ihrer Kollegen lassen sich nicht zum Spaß auf das Experiment ein. Ihr Einsatz ist mit Forschungsgeldern für ihre Arbeit dotiert – Wissenschaft wird mit Wissenschaft bezahlt.

Nachdem Toms kleiner Tanzflächendefekt repariert ist, geht ihre gemeinsame Geschichte los. Er entpuppt sich als ein Springbrunnen an Überraschungen: Nicht nur, dass er sehr attraktiv ist, nein, er lernt auch noch extrem schnell dazu, ist aufmerksam, höflich, freundlich, hilfsbereit, kann kochen und putzen und lässt sich nur schwer provozieren. Genau daran droht gleich zu Beginn das Experiment zu scheitern: Alma hält Toms Perfektion kaum aus. Er sagt: »Du wärst glücklicher, wenn du dich öffnen würdest.« Sie: »Und dann?« Tom: »Dann wärst du glücklicher.« Weil sie kein Rosenblätterbad will, legt er sich im Kerzenschein eben selbst hinein. Ohne beleidigt zu sein. Alma versucht ihn aus dem programmierten ContenanceKonzept zu kitzeln: »Kannst du nicht mal so sein, wie du nicht sein solltest?« Er kontert: »Du weißt nicht, was du willst!« Alma: »Genau. Ich bin ein Mensch.« Tom dagegen ist die perfekte Version eines Menschen, der niemandem etwas Böses will, Unfälle verhindert, die Natur nicht stört: Im Wald trabt das Rotwild ganz nah an ihn heran, weil er keinen Geruch hat, der ihn gefährlich macht. Wenn er will, ist er Alma einen Schritt voraus, weil er – programmiert – empathiefähiger ist als sie und deshalb vorhersieht, was sie als Nächstes tun wird. Weil er in jeder Hinsicht so unwiderstehlich ist, verbringt Alma trotz aller Zwiegespaltenheit eine »Liebesnacht« mit Tom, der gern wüsste, wie sich ein Orgasmus anfühlt. »Man löst sich auf und ist Teil von etwas Größerem«, erklärt Alma. In ihrem Gutachten schreibt sie: »Der Roboter scheint der bessere Partner zu sein. Er macht uns glücklich, und was kann daran falsch sein? Aber ist nicht das Streben nach Glück das, was den Menschen zum Menschen macht? Was wäre dann noch der Antrieb, sich selbst zu hinterfragen?« Aber sie weiß auch: Ein Leben ohne Tom wäre ab jetzt immer nur ein Leben ohne Tom.

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Die Mitarbeiterin des Terrareca-Konzerns (Sandra Hüller) mit dem perfekt auf weibliche Bedürfnisse
programmierten Androiden Tom (Dan Stevens) in Maria Schraders »Ich bin dein Mensch« | © Christine Fenzl/Majestic

Maria Schrader, der zuletzt ein großer Coup mit der Netflix-Serie »Unorthodox« gelang, hat nicht nur Regie geführt, sondern zusammen mit Jan Schomburg auch das Drehbuch nach Motiven der gleichnamigen Erzählung von Emma Braslavsky entwickelt. Schrader weiß als Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin, wie man Akteure führen muss, damit sie sich in ihren Rollen zuhause fühlen.

Mit »Ich bin dein Mensch« wagt sie sich großartig souverän an ein Thema, das seit Jahrhunderten fasziniert, und setzt es elegant ins Heute. Vom Golem über die beseelten Objekte in der romantischen Literatur bis hin zu »Pygmalion« und melancholischen Begegnungen zwischen Menschen und Androiden in gar nicht mehr weit entfernten Zukunftsstädten wie in »Blade Runner« stellt sich immer wieder die Frage, was einen Menschen zum Menschen macht. Während der Mensch an seiner Optimierung feilt, wäre die Maschine gern ein fühlendes Wesen. Diese Tragik des Nicht-zueinander-kommen-Könnens ist nicht bedeutend anders als so oft zwischen rein menschlichen Konstellationen. Warum also sollte dies kein Zukunftsmodell sein? Noch dazu, wenn die Beteiligten so bezaubern wie Maren Eggert, die auf der Berlinale 2021 für ihre darstellerische Leistung mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, und Dan Stevens, bei dem man sich anfangs ständig fragt, woher man dieses Gesicht kennt, bis es einem wie Schuppen von den Augen fällt: Er war das Biest in »Die Schöne und das Biest«, wo er die Verwandlung Mensch-Monster-Mensch bravourös meistert, und er war Matthew Crawley in »Downton Abbey«: ein Gentleman durch und durch, dem im Moment des höchsten Glücks die Maschine unter seinen Händen zum Verhängnis wird.

Maria Schrader erzählt die (Un)Möglichkeit der Liebe mit melancholisch-humorvoller Leichtigkeit, man denkt an das »Auflösen«-Video von Campino und Birgit Minichmayr, an »Nachts im Museum«, an französische Claude-Sautet-Closeups und wünscht sich, dass der deutsche Film doch öfter solche Sternstunden hätte. ||

ICH BIN DEIN MENSCH
Deutschland, 2021 | Regie: Maria Schrader | Buch: Jan Schomburg und Maria Schrader | Mit: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Jürgen Tarrach u.a.
104 Minuten | Filmstart: 17. Juni

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