Mit »Der Boandlkramer und die ewige Liebe« hat Michael Bully Herbig seinem Regiekollegen und Freund Joseph Vilsmaier zu dessen Vermächtnis verholfen. Im Interview spricht Deutschlands erfolgreichster Filmemacher über Dick und Doof, Kino und Corona, Väter und Familie und unschätzbare Privilegien.

»Der Boandlkramer und die ewige Liebe«

»Eine Idee ist nie jungfräulich«

boandlkramer

Darf noch einmal in seine Lieblingsrolle schlüpfen: Michael Bully Herbig als Boandlkramer. Bereits während der Dreharbeiten des Films war die bayerische Regielegende Joseph Vilsmaier sterbenskrank. Auf seinen Wunsch hin hat Herbig den Film nun fertiggestellt | © Leonine Studios

Herr Herbig, Ihr neuer Film »Der Boandlkramer und die ewige Liebe« besitzt ja in zweifacher Hinsicht traurige Aktualität. Zum einen, weil der Regisseur des Werks, Joseph Vilsmaier, kurz nach Ende der Dreharbeiten verstorben ist. Zum anderen, weil der Tod, der ja in Ihrer Figur zu Fleisch und Blut wird, im Zeichen der Pandemie seit Monaten wie ein Damoklesschwert über uns allen schwebt. Wie gehen Sie damit persönlich um?
Ich sehe das, ehrlich gesagt, aus einem anderen Blickwinkel. Das hat viel mit meiner Liebe zu diesem Charakter zu tun, der »Boandlkramer« war immer meine Lieblingsfigur. Und eigentlich hatte ich die Hoffnung, die Rolle noch einmal spielen zu können, längst aufgegeben. Aber dann kam mir aus heiterem Himmel diese Idee, im Prinzip war es nur der Titel: »Der Boandlkramer und die ewige Liebe«, in Anlehnung an »Der Brandner Kasper und das ewige Leben«.

»Wenn man von so einem wie dem Boandlkramer abgeholt wird, dann kann es nicht so schlimm sein.«

Wie ging es dann weiter?
Damit bin ich zum Joseph (Vilsmaier, u. a. Regisseur von »Die Geschichte vom Brandner Kaspar«, Anm. d. Red.) gegangen, und der hat mich sofort verstanden: »Des müss ma machen, des is a super Idee«, sagte er. Gemeinsam mit Uli Limmer (Koautor von »Schtonk!«, Anm. d. Red.) und Marcus H. Rosenmüller (Regisseur von »Wer früher stirbt, ist länger tot«, Anm.d.Red.) haben wir dann in Rekordzeit das Drehbuch entwickelt – von der Idee bis zum fertigen Film sind keine eineinhalb Jahre vergangen, was eher unüblich ist. In der Nachbetrachtung hat das natürlich auch in mir etwas ausgelöst. Denn Joseph wusste ja als Einziger, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Da beeindruckt es mich umso mehr, dass er dieses Ding so durchgerockt, nie gejammert hat und mit einer großen Freude den Film durchgezogen hat.

Das Besondere an »Der Boandlkramer und die ewige Liebe« ist ja auch, dass er trotz des düsteren Themas dem Tod gewissermaßen die Schwere nimmt.
Genau. Der Joseph hat auch irgendwann einmal gesagt: »Wenn man von so einem wie dem Boandlkramer abgeholt wird, dann kann es nicht so schlimm sein.« Ich habe mir oft vorgestellt, wie der Joseph bei ihm auf dem Karren hockt und uns dabei zuschaut, wie wir seinen Film bewerben. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Und ich glaube, auch er war glücklich, dieses Projekt noch zu Ende bringen zu dürfen. Er hat ja dann, nachdem er den Feinschnitt gesehen hat, auch losgelassen und sich zwei, drei Wochen später von uns verabschiedet.

Der »Boandlkramer« war immer meine Lieblingsfigur.

Es war zu lesen, dass es Vilsmaiers Wunsch war, dass Sie den Film fertigstellen. Wie sind Sie mit dieser Verantwortung klargekommen?
Kurz vor Drehbeginn gab es ein Vieraugengespräch, in dem ich ihm versprechen musste, dass ich den Film zu Ende bringe, falls mit ihm etwas sein sollte. Damals habe ich diese Schwere darin noch gar nicht gesehen. Ich dachte eher, okay, er ist 80 Jahre, kann schon sein, dass ich vielleicht mal kurz einspringen muss.

Und schließlich sind Sie von der Realität eingeholt worden.
Wir haben schon immer sehr gern zusammengearbeitet. Aber in diesen eineinhalb Jahren wuchs das noch mehr zusammen. Das Ganze hat sich total familiär angefühlt. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn ich am Set irgendwann einmal Papa zu ihm gesagt hätte. Und so war es für mich eine Selbstverständlichkeit, diesen Film zu finalisieren. Und da ich genau wusste, was ihm gefällt bzw. nicht gefällt, habe ich stets versucht, alle Entscheidungen so zu treffen, als säße er neben mir und würde mir einflüstern, was als Nächstes zu tun ist.

Mit dem Kostümbildner Georg Korpás, dem Komponisten Ralf Wengenmayr und dem Cutter Alexander Dittner haben Sie auch einige Ihrer treuen Weggefährten mit an Bord geholt. Das hat den familiären Aspekt sicherlich noch verstärkt.
Joseph und ich haben natürlich darüber diskutiert, wer für welchen Posten am besten passt. Georg Korpás war gesetzt, er war ja schon beim ersten Teil für die Maske verantwortlich. Und auch Ralf Wengenmayr empfanden wir von Anfang an als den richtigen Komponisten. Dass Alex Dittner den Schnitt übernehmen würde, war lange nicht klar, da gab es ein zeitliches Problem. Letztlich haben wir gemeinsam das geschafft, was einzig und allein zählt: Wir haben einen Joseph-Vilsmaier-Film kreiert.

Im »Boandlkramer« geben Sie eine herrliche Comedynummer zum Besten, eine Art Hommage an »Dick und Doof« alias Stan & Ollie. Gehören diese beiden auch zu den Idolen Ihrer Kindheit?
Das ist nicht zu leugnen. Meine Helden von damals waren ein Stück weit auch Buster Keaton mit diesem unfassbaren Slapstick und, ganz weit vorne, Stan & Ollie, Jerry Lewis, Louis de Funès. Das sind Einflüsse, die speicherst du ganz hinten im Gehirn ab und holst sie dann raus, wenn du sie brauchst. Eine Idee ist ja nie wirklich jungfräulich. Aber das Schöne daran ist ja gerade, dass du etwas weiterentwickelst und dich selbst auch weiterentwickeln kannst. Immer dasselbe zu machen, ist doch wahnsinnig langweilig. Deswegen habe ich auch nie Fortsetzungen gedreht. Nur hier habe ich eine Ausnahme gemacht, weil ich den Charakter so gerne mochte.

Sie haben mit »Der Schuh des Manitu« und »(T)Raumschiff Surprise – Periode 1« die beiden erfolgreichsten deutschen Filme aller Zeiten realisiert. Erleichtert dies Ihre Arbeit oder kann es auch eine Last sein, immer daran gemessen zu werden?
Auf jeden Fall Ersteres. Ich habe zumindestvnicht das Gefühl, noch irgendjemandem etwas beweisen zu müssen. Deshalb bin ich unheimlich glücklich, als Regisseur auch Projekte wie »Ballon« machen zu dürfen. Dass der Film dann auch noch funktioniert und auch auf internationaler Ebene so gutes Feedback bekommen hat, hat mir sehr viel bedeutet. Ich bin dafür sehr dankbar, dass ich als Regisseur das Privileg besitze, verschiedene Genres inszenieren zu dürfen, aber als Schauspieler trotzdem noch den Humoristen oder Komiker geben darf. Denn ich weiß genau, dass ich mit diesem Gesicht im Drama nichts verloren habe. ||

DER BOANDLKRAMER UND DIE EWIGE LIEBE
D 2020 | Regie: Joseph Vilsmaier | Mit: Michael Bully Herbig, Hape Kerkeling, Hannah Herzsprung | Länge: 87 Minuten | seit 14. Mai 2021 auf Amazon Prime

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