Was ist schon normal? Paare, Passanten, Kinder und Tiere, nichts und niemand entgeht Papan.

Papan

Die Kunst ein Ei zu kochen

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Der verlassene Mann im Kampf gegen den Haushalt | aus »Ohne dich läuft nichts«, Köln 1993 | © Papan

Es gibt nicht so wahnsinnig viel zu lachen in diesen Tagen. Außer man kommt, eigentlich schlecht gelaunt, an diesem Schaufenster in München-­Haidhausen vorbei. Bis zu vier Mal täglich stand die Autorin schallend lachend vor dem Fenster und amüsierte sich über den von Helga verlassenen Mann, der sein Tagebuch damit füllt, wie er unfassbar erfinderisch versucht, ein Ei zu kochen. Der Laden ist eigentlich das Büro des Haidhauser Kaminkehrers, der bekanntlich Glück bringt. In diesem Raum hat der Zeichner und Erzähler Papan Unterschlupf gefunden, nachdem er in derselben Straße, einige Meter von seiner jetzigen Niederlassung, nach vielen Jahren entmietet wurde. Wer ist dieser Mann? »Das frage ich mich auch. Seit fast 80 Jahren frage ich mich das noch immer«, sagt Papan. Der 1943 in Hamburg geborene Manfred von Papen entschied sich in den 60er Jahren dafür, seinen Namen zu ändern. »Das war eigentlich eine grafische Frage, Papan sah als Wort einfach gut aus, und dann kam auch noch der phonetische Aspekt dazu, man konnte es toll französisch aussprechen. Und ich wollte mit der Familie nichts zu tun haben.« Franz von Papen, Reichskanzler während der Weimarer Republik und deutscher Botschafter in Wien und Ankara im Dritten Reich, war sein Onkel. »Papan« entschied sich für ein Leben jenseits des deutschen Adels und historischer Last und zog mit Ruth Drexel, ihrer Tochter Katherina, Hans Brenner, Martin Speer und Monica Bleibtreu und ihrem Sohn Moritz – »den ha bich immer gewickelt« – in eine Kommune in einem Haus von Rainer Werner Fassbinder.

Papan arbeitete als Requisiteur und Bühnentechniker an Theatern, entwarf Programmhefte, war Schaffner und Nachtwächter, machte eine Lehre als Buchhändler und entdeckte früh seine Lust am Abpausen, dann am Zeichnen. Natürlich kennt man Papan aus dem »Stern« (seine Serie »Der undressierte Mann« ist legendär), aus der »Zeit«, aus der »Süddeutschen Zeitung«, der »Brigitte« und aus so manch anderer Illustrierten. 12 Jahre lebte er mit der feministischen Künstlerin Franziska Becker zusammen, die u. a. für »Emma« arbeitete. »Was ich auch mache, da steckt immer was von mir drin.«

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Moderne Existenzbeweise | © Papan

Seine Figuren sind immer in einer unverwechselbar wehenden Bewegung. Sogar wenn sie auf dem Sofa hocken, glaubt man eine hibbelige Nervosität zu spüren. Die Männer und Frauen sind in ihrer Plumpheit liebenswürdig zart. »Ich habe mein Leben lang gezeichnet, und dann wollte ich irgendwann, dass sie lebendig werden, dass sie sich bewegen.« Daraus entstanden Skulpturen mit Figuren, kleine Bühnen, auf denen merkwürdige Gestalten merkwürdige Dinge tun. Derzeit arbeitet er parallel an drei neuen Büchern. Eins davon hat den Arbeitstitel »Meine liebsten Reisen sind aus dem Fenster sehen«. »Ich gucke jeden Tag aus dem Fenster und beobachte die Leute: Auf dem Balkon sehe ich alte Leute, die da rauchen, sie sind unzertrennlich und wirken wie zusammengewachsen, wie siamesische Zwillinge. Unten trödeln die Hunde herum, ich finde es wunderbar, die Kinder grölen, und das betrachte ich jeden Tag. Das ist mein Fundus, aus dem ich auswähle. Das ist mein Lebensthema. Das wird auch nie langweilig. Gestern war wieder Hundemodenschau, es war kalt, und die Hunde hatten alle so komische Pullover an, sehr interessant, wie sie herumstolzierten.« Leerlauf kennt der fast 80-jährige Papan nicht. Wie seine Figuren ist er ständig in Bewegung, in Wahrnehmung. »Ich setze mich dauernd unter Stress, wenn ich den nicht habe, bin ich todunglücklich« behauptet er heiter, viel Zeit hat er nicht, denn »ich muss gleich die beiden alten Frauen auf der Bank zeichnen«. Was er macht, macht er zunächst ausschließlich für sich selbst, ohne Rücksicht auf Marktinteressen. Aber: »Ich habe das außerordentliche Glück, diesen Laden zu haben, weil er ein Laufpublikum hat. Die Resonanz der Passanten ist schon wichtig. Wenn einer unfreundlich reinschaut, bin ich beleidigt.«

Seine Bilder und Objekte im Fenster ziehen die neugierigen Blicke der Frauen eher an als die der Männer. »Männer wollen weitergehen und Frauen bleiben stehen«, beobachtet er immer wieder. »Vielleicht merken Männer, dass ich eigentlich ein bisschen männerfeindlich bin, und Frauen amüsiert das«, schmunzelt Papan. Es gibt Bereiche, die er nicht anfasst: »Unfälle, Naturkatastrophen, Krieg, oder jetzt auch Corona sind keine Themen für mich. Darüber mache ich mich nicht lustig. Da finde ich Männer und Frauen viel unterhaltsamer.« Dabei vermeidet er Klischees, indem er sie absurd verzerrt und sie in ihrer Blödsinnigkeit entblößt. Die Konzentration von alltäglichen Absurditäten darf nie eindeutig sein, »sonst wird es plump«.

»Das Buch über das Eierkochen ist so überspannt, dass man lachen kann und dabei vielleicht merkt, wie seltsam man sich oft selbst verhält.« In ihrer massiven Sinnlosigkeit erinnern Papans Figuren an Kafka in seiner lustigsten Form. Das Verhältnis zwischen Bild und Wort ist dabei essenziell: Manchmal ist zuerst der Text da, dann kommt das Bild, manchmal umgekehrt. Ohne die staubtrockenen, punktgenauen Texte würden die Bilder nicht funktionieren. Wie der Mann im »Tagebuch eines Verlassenen« feststellt: »Um mir den Beweis meiner Existenz zu liefern, legte ich mir gestern ein Tischtuch über meinen Kopf und spazierte eine Stunde in der Wohnung umher. Beobachtete anschließend das Ergebnis: Es musste mich geben.« ||

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Offizielle Website
Pariser Str. 23

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