Aufbruch ins Unbekannte: Mit den »Bremer Stadtmusikanten« gelingt dem neuen Figurentheaterduo Giesbert & Lutz eine tolle Freundschaftsgeschichte nicht nur für Kinder.

»Bremer Stadtmusikanten« von Giesbert & Lutz

»Haste feste Schuh, biste fit, haste ´ne Sonnenbrille?«

bremer stadtmusikanten

Giesbert & Lutz hauchen den Bremer Stadtmusikanten Leben ein © Sebastian Korp

»Die weite Welt“ ist schon da, bevor Laika und Co. die Bühne betreten: Auf einer von schwarzweißen Landschafts- und Straßenadern durchzogenen Stellwand und drei ebenso gemusterten Würfeln. Mit »sag mal, Julia« oder »du, Peter« beginnen die Fragen, die die Puppenspieler Julia Giesbert und Peter Lutz einander stellen: »Pizza oder Nudeln?«, »Playmo oder Lego?« Und fast immer sind sie sich einig, während sie bäuchlings auf den Würfeln liegend Schwimmbewegungen machen, schon mittenmang unterwegs in der Welt der Phantasie, mal in Zeitlupe und mal in Eile. Der Rhythmus stimmt, der beiläufige Ton, und das alles schon, bevor die Puppen kommen. Die sind von Peter Lutz selbst gebaut, durchschnittlich menschenoberkörpergroß und ziemlich toll. Live vor Ort könnte man das natürlich besser sehen und vor allem spüren. Trotzdem lohnt sich die Online-Vorstellung der »Bremer Stadtmusikanten«, mit der man sich vorerst begnügen muss, denn der nach einer kurzen Zoom-Begrüßung gezeigte Film ist richtig schön geworden und erlaubt auch Blicke hinter die Wand, über der man sonst nur die Köpfe von Hund, Esel, Katz und Hahn auftauchen und rhythmisch hüpfen sieht, wenn die vier auf Wanderschaft gehen. In die »weite Welt«, ergo nach Bremen.

Das erste gemeinsame Münchner Kindertheaterprojekt von Giesbert & Lutz macht inhaltlich da weiter, wo Giesbert mit ihren Kolleginnen vom Theater Ananas aufgehört hat: Man nehme ein bekanntes Märchen, dessen Handlung sanft aktualisiert und an einigen Stellen mit Witz und Ironie gebrochen oder gewürzt wird. Dazu Musik, gegen die Klischees »besetzte« Figuren und eine weitgehend offene Spielweise, die das Ausscheren aus der linearen Erzählspur erlaubt. Das ist ein bewährter Ansatz, weil er ein breites Publikum anzieht und zugleich offen bleibt für Experimente. Unter der Regie von Philipp Jescheck und mit der stimmungs- wie genremäßig variablen Musik von Lukas Maier entsteht hier jedoch etwas ganz Besonderes, das viele erwachsene »Begleitpersonen« dazu verleiten sollte, ein Alibi-Kind zu leihen oder sich notfalls alleine in den virtuellen Zuschauerraum zu setzen. Nicht, weil von diesem kurzen Stück bahnbrechend neue Erkenntnisse zum Thema Diversität und Toleranz zu erwarten wären, sondern weil die Spiel- und Erzählebenen so herrlich entspannt gewechselt werden und man Lutz´ Puppen auf der Stelle adoptieren möchte: Hündin Laika kommt niesend auf die Bühne, mit leicht verfilzten lockigen Hängeohren, einem schmalen Windhundgesicht und um Giesberts Arm herumschlotterndem verwaschenen Parka. Der wollige Schädel von Esel Aki scheint fast zu schwer für ihn; sein Maul steht permanent erstaunt oder für die nächste Beschwerde offen. Aki möchte gerne bemitleidet und gebeten werden, während Katze Milenka schon kurz nach dem Fast-Ertrinkungstod auf strategische Schnurrattacken und einen manipulativen Von-unten-nach-oben-Blick umswitcht.

bremer stadtmusikanten

© Sebastian Korp

Es ist erstaunlich viel Liebe und Umsicht in die Details geflossen, von den »Kostümen« der Tiere und ihren kleinen sprachlichen Ticks bis zu den einfachen, aber pfiffigen Ideen, mit denen Geschwindigkeit, die Geräuscharmut unter Wasser und schließlich die Schattenwelt der Räuber veranschaulicht werden. Mit einem jazzigen Aufbruchs-Lied hat man sich – schwupps – den ersten Ohrwurm eingefangen, der zweite folgt sogleich mit dem Rap, mit dem sich der coole Hahn Johnny selbst Mut machen will, denn in seiner Kochshow steht Hühnersuppe auf dem Plan. Und auch die wie eine Hook wiederkehrende Frage »Haste feste Schuhe, biste fit, haste ´ne Sonnenbrille?“ bohrt sich einem tief ins Langzeitgedächtnis.

Mal haben die beiden nur eines, mal je zwei Tiere am Start, dann wechseln sie mit traumwandlerisch sicherem Timing die Ebene, reiten auf den Würfeln und stellen wieder Fragen wie sie sich auch große und kleine Kinder sie manchmal stellen. Zum Beispiel: »Wessen Leben würdest du gerne einen Tag lang führen?« Das dieser vier Aussortierten vielleicht lieber nicht. Oder doch? Sie sind eine etwas abgerissene, nie verlogen harmonische, aber ziemlich witzige Truppe. Und am Ende sind sie Freunde. ||

BREMER STADTMUSIKANTEN
Onlinetermine am
Freitag 16. April, 16 Uhr
Sonntag 18. April, 11 Uhr
Sonntag 25.April, 16 Uhr
Für alle ab dem Grundschulalter
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