Rosalie Wanka lässt inn ihrem abendfüllenden Stück »Asymmetrical Encounters« den Tango auf den zeitgenössischen Tanz und den Bundesadler auf Batman treffen.
Rosalie Wanka: Zwischen Videoclipästhetik und Wimmelbild
Rosalie Wanka will ganz schön viel. Zum Beispiel nach den Schnittstellen von zeitgenössischem Tanz und Tango suchen und diese mit Körpern wieder verwischen, die im klassischen Ballett geschult worden sind. Oder Geschlechterasymmetrien aufzeigen und verschieben und nebenbei – so jedenfalls sah es beim Generalprobenbesuch im Februar aus – einen wilden Ritt durch die jüngere europäische (Pop-)Kulturgeschichte und Ikonografie anzetteln. »Asymmetrical Encounters« heißt der gut einstündige Abend, den die Münchnerin Wanka gemeinsam mit dem argentinischen Choreografen Rodrigo Pardo, dem Tänzer und Sänger Damián Cortés Alberti und ihrer langjährigen Bühnenpartnerin Cecilia Loffredo auf die Bühne des HochX gebracht hat, die alle auch als choreografische Mitarbeiter auf dem Programmzettel stehen. Die Streamingtermine für März stehen bereits. Eine Liveaufführung wäre natürlich besser, denn in physischer Kopräsenz ist diese gar nicht so unsymmetrische Begegnung, in die jeder der vier seine Erfahrungen einbringt, ein dekoratives und über weite Strecken auch mitreißendes Ereignis, das den Körper als Archiv in Bewegung und das Tanzen als eine Form des Gesprächsangebots begreift. Tanzt Wanka mit und neben Loffredo, fungieren die beiden Frauen füreinander als Spiegel. Im Duett mit Pardo, mit dem Wanka sich ein Forschungsstipendium zur Geschlechterdualität des Tango teilte, tritt das Spiel mit dem Anspruch auf Führung und mit den Erwartungen an Erotik und Temperament in den Vordergrund. Witz entsteht, wenn sie die körperliche Hochspannung, die den Tango wie das Ballett prägen, auf ganz andere Szenen übertragen, von denen einige ungewohnt konkret werden.
Mit vielen Perücken- und Kostümwechseln, ausdrucksstarken Tänzer*innen und den poppigen Videocollagen von Manuela Hartel entsteht ein Tanzabend zwischen Clipästhetik und Wimmelbild. Wankas Befreiungsversuch aus einer Paarsituation geht in Twerking über und mündet in eine neue Paarszene, die verdächtig nach Mowglis und Baloos »Gemütlichkeits«-Duett aussieht, auch wenn die Musik ganz und gar nicht passt. Die beiden Männer liefern sich einen gesanglichen Schlagabtausch als Pa-Pa-Pa-Papageno und Papagena, und der »Münchner im Himmel« ist auch dabei, während sich dumme Sprüche und geflügelte Worte über mehrere Leinwände und Banner im Bühnenhintergrund verzetteln und dabei teilweise unleserlich werden. Warum es da plötzlich heißt, »Maja pupst«, während man hier ein Video der kleinen Biene und dort Heidi mit dem Geißenpeter über die Wiese tollen sieht? Warum ein schwarzer minotaurus- oder batman-liker Umriss zu einem Bundesadler mutiert? No idea! Rosalie Wanka will eben viel. Nicht alles davon muss man verstehen. ||
ROSALIE WANKA: »ASYMMETRICAL ENCOUNTERS«
Streamingtermine: 19.–21. März
Tickets || 26.–28. März
Tickets für spanischsprachiges Publikum
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