Ein harter Herbst für den Wahl-Bayern Pete York. Erst stirbt sein alter Kollege Spencer Davis. Dann hat er selbst einen Unfall. Aber er macht weiter. Wäre doch gelacht!

Pete York: Pete, the Beat

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Seit 70 Jahren hinter dem Schlagzeug, seit bald 60 auf der Bühne: Pete York © Ralf Dombrowski

Unbemerkt von den anderen Zuschauern lässt der ältere Herr seine Fußspitze dezent zum Rhythmus der spielenden Band wippen. Ganz behutsam, damit auch die Sitznachbarn sich nicht gestört fühlen. Wer allerdings direkt hinter dem Gentleman sitzt, kann beobachten, wie dieser sich mit ganzem Körper in die Musik hineinzuwiegen scheint. Kein Wunder, denn dieser Mann zählt selbst zu den weltbesten Schlagzeugern, heißt Pete York und hat bereits in zahlreichen, zum Teil legendären Formationen, getrommelt. Die Art, wie er nun als Zuschauer das Konzert goutiert, verrät seine Begeisterung für die von ihm beobachtete Band, die gerade an einem Sonntagmorgen in der BMW Welt im Rahmen eines jährlichen Wettbewerbs auftritt. Spricht man Pete York später allerdings auf das erlebte Konzert an, erklärt er freundlich mit britische Akzent: »Meins ist das nicht. Der Drummer spielte viel zu viel durcheinander. Aber ja, man kann es mögen.« Und dann lächelt er bescheiden, als wollte er sagen: »Aber was weiß ich schon von Trommlern.«

Dabei ist er zahlreichen Schlagzeuger-Legenden persönlich begegnet und hat mit ihnen sogar zusammen spielen dürfen. Nicht zuletzt in der ersten Fernsehserie überhaupt, die sich einzig auf das Schlagzeug-Spiel fokussierte: nämlich die in den Achtziger Jahren von ihm moderierte Sendereihe Superdrumming des SWR. Aber auch auf Konzertbühnen trifft York immer wieder auf berühmte Kollegen, die keinen Zweifel daran lassen, wie sehr sie ihn schätzen. Als er zum Beispiel vor zehn Jahren die Band um den Boogie-Woogie-Pianisten Axel Zwingenberger während eines Gigs in der Nähe von Hannover als Gastsänger ergänzte, war es niemand geringerer als der Rolling Stones-Schlagzeuger Charlie Watts, der damals vor vierhundert Zuschauern den Rhythmus getrommelt hatte. Kaum aber, dass York seine Gesangseinlage beendet hatte, bot Charlie Watts ihm seinen Platz am Schlagzeug an. Und zwar nicht gönnerhaft als freundliche Geste, sondern mit der Begeisterung eines neugierigen Schlagzeugfreunds, der schon Mitte der Sechziger Jahre zusammen mit York getourt war.

Damals hatte der 1942 in England geborene Pete York seine Rockkariere bereits mit der Anfang der Sechziger Jahre gegründeten Spencer Davis Group gestartet. Als diese nun mit den Rolling Stones tourte, galt sie mit Hits wie »Keep On Running« oder »Gimme Some Loving« als die wahrscheinlich souligste Band Großbritanniens. Gemeinsam mit Eddie Hardin, der später deren ursprünglichen Organisten Steve Winwood ersetzt hatte, verließ York 1969 die Band des im letzten Jahr verstorbenen Gitarristen Spencer Davis. Zusammen brillierten Hardin & York sodann als »die kleinste Bigband der Welt« und traten in jener Orgel-und-Schlagzeug-Besetzung sogar im Vorprogramm der Hardrocker Deep Purple auf. Gleichzeitig spielten beide auch unabhängig voneinander in jeweils eigenen Bands. Würde man nun aufzählen, mit wem Pete York seit der Zeit alles gerockt hat, und wie viele eigene Formationen er auch schon mal nebeneinander betrieb, würde schnell deutlich: Musikalisch ist er kein monogamer Mensch. Weder, was seine Bindung an Musiker, noch was seine Leidenschaft für einen präferierten Musikstil betrifft.

Pete Yorks offizielle Website

Tatsächlich liebäugelt der versierte Drummer nämlich ebenso mit der Rockmusik wie mit dem Jazz in seiner klassischen Form. Also lieferte er sich mit dem Schlagzeuger-Derwisch Keith Moon von The Who ein Trommelduell, derweil er an anderer Stelle mit dem alten Chris Barber den Swing wiederentdeckte. Dann wieder unterstützte er John Lords Sarabande und tourte zugleich mit Klaus Doldinger. Und schließlich verliebte sich der untreue Musiker und wurde zum treuen Ehemann, der der Liebe wegen nach Bayern zog. Einmal abgesehen davon, dass York sich noch als Autor von Zeichentrickfilmen behaupten konnte, derweil er als Schlagzeuger immer noch seine internationalen Kontakte bedient, kam es auch zu großartigen Kooperationen mit deutschen Musikern. Etwa mit dem Liedermacher Konstantin Wecker, der 1987 etwas mit Jazzern machen wollte, wie er selber sagt: »Peter Herbolzheimer hatte ein Album von mir produziert. Das war das erste Mal, dass ich mit Jazzern zusammenspielen wollte. Und so lernte ich auch Pete York kennen, der ja nicht nur ein herausragender Musiker ist, der sich übrigens auch wunderbar zurückzunehmen weiß. Das war wichtig, damit die Leute trotzdem eine Chance hatten, meine Texte zu verstehen. Aber er ist auch ein Charme-Bolzen und ein großartiger Entertainer. Und er hatte in meinen Konzerten immer die Gelegenheit, auch mal Pete York solo für fünf oder zehn Minuten zu sein, also mit dem Publikum zu reden, Witze zu machen und dabei sein großartiges Schlagzeugspiel zu zeigen«, sagt Wecker.

Nicht zuletzt war es dann auch Yorks Spaß am Humor, der ihn gelegentlich mit dem Komödianten Helge Schneider zusammen spielen ließ. Nur dass Yorks Rhythmen mehr den Musiker Schneider als den Komiker forderten, so dass deren letzte Zusammenarbeit vor vier Jahren das Jazz-Album »Heart Attack No.1« gebahr. Wenn York darauf den James Brown-Klassiker »I feel good« singt, nimmt sein Gesangsstil es allerdings auch locker mit dem Komiker Schneider auf. Solche personifizierte Fröhlichkeit, die der stets freundliche Pete York nun einmal ist, wirkt unverwundbar. Und doch wurde er jüngst durch einen Treppensturz ausgebremst. Gleichwohl er ihn und die Freuden der Reha glücklich überstanden hat, wie Fotos auf entsprechenden Sozialforen verkünden, zeigen dieselben Fotos einen Schlagzeuger, der sich vorerst nur mit bloßen Händen den Trommeln nähert. Angst habe er gehabt, kann man auf Facebook lesen, ob da wieder etwas ging. Aber neugierig sei er auch gewesen, was nach siebzig Jahren am Schlagzeug die Erinnerung des Musikerapparats so zu bieten habe. Und Pete York trommelt wieder, bislang noch sehr vorsichtig. Aber wäre doch gelacht. In Gedanken wippt auch die Fußspitze bereits, dezent und noch unbemerkt. ||

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