Der starre Kamerablick in Daniela Kranz’ Zoom-Inszenierung von Lot Vekemans »Niemand wartet auf dich« lässt Perspektiven vermissen.
»Niemand wartet auf dich«: Drei Frauen
Juliane Köhler tippelt mit grauer Perücke in den dunklen Raum. Sie ist alleine im Marstall, alleine mit dem Team. Nachdem der Lockdown verlängert wurde, hat das Residenztheater beschlossen, die Deutsche Erstaufführung von Lot Vekemans Monologstück »Niemand wartet auf dich« als Zoom-Theater aufzuführen. In einem größeren Fenster sieht man Juliane Köhler auf dem Bildschirm, in kleinen die anderen Zuschauer*innen. Die Autorin selbst ist auch dabei, vermutlich in den Niederlanden sitzt sie in ihrer Küche und schaut zu. Schon vor Corona war sie eine Spezialistin für intime Stücke. Ihre Monologe »Schwester von« und »Judas« wurden viel gespielt, auch ihr Ehedrama »Gift«. »Niemand wartet auf dich« wurde 2018 uraufgeführt und setzt sich aus drei Monologen zusammen, die von einer Schauspielerin gespielt werden sollen. Drei Frauen, drei Blicke auf die Welt. Sie alle werden von einem Buchtitel zum Nachdenken gebracht: »Niemand wartet auf dich«. Ist das tröstend oder beängstigend? Ermutigend oder strafend?
Die alte Frau, der der erste Monolog gewidmet ist, will nicht mit den Fingern auf andere zeigen, sondern selber ändern, was zu ändern ist. Ganz klar unterscheidet sie zwischen ihren Angelegenheiten und allen anderen, die sie Gott überlässt. Ihre Angelegenheiten: Müll aufheben, eigene Fehler aushalten; Gottes Angelegenheiten: Krieg, Hungersnot, Überflutung. Die zweite Frau ist eine Politikerin. Nach einer Wahlniederlage hält sie ihre Rücktrittsrede. Sie hat genug von der Rechthaberei in der Politik, sehnt sich zurück nach einer Kultur der Debatten. Sie möchte nicht länger den Eindruck vermitteln, dass sie Antworten hat, will als Mensch wahrgenommen werden, mit all ihren Fehlern. Im dritten Teil dann verwandelt sich die Schauspielerin vermeintlich in sich selbst, spricht zu ihrem Publikum. Auch sie will gerne »etwas beitragen«, weiß aber nicht, wie. Die eigene Machtlosigkeit zu akzeptieren, fällt ihr schwer.
Das Stück will eine Diskussion auslösen darüber, was der oder die Einzelne bewegen kann in der Welt. In den Niederlanden wurde es in Sitzungs- und Ratssälen aufgeführt, wie im Textbuch vermerkt ist, ein Nachgespräch war elementarer Teil der Aufführungen. Das ins Netz zu verlagern, mag gelingen. Am Premierenabend aber fehlt dazu nicht nur das Nachgespräch (das bei Folgevorstellungen angeboten werden soll). Der Abend bleibt insgesamt spröde, die Schwächen des Textes treten deutlich hervor. Vekemans mäandert zwischen moralischen Botschaften und konstruierten Lebenssituationen, ohne besonders tiefgründig zu sein. Die Figuren bleiben unausgereifte und eher eindimensionale Prototypen.
Auch Juliane Köhler scheinen sie einigermaßen fremd zu bleiben. Man merkt ihr an, dass ihr ihr Publikum fehlt, die Rollen wirken aufgesetzt, die Texte aufgesagt. Am meisten kriegt sie die Zuschauer, wenn sie am Schminktisch sitzt, sich von der alten Frau in die Politikerin verwandelt, beim Schminken ihre bevorstehende Rede übt. Da zoomt die Kamera, die sonst auf eine eintönige Totale setzt, nah an sie heran, ihr Spiel wird entspannt. Plötzlich wird da ein Mensch sichtbar, nicht nur eine Rolle. Solche intimen Momente hätte man sich öfter gewünscht, ein Spiel mit der filmischen Perspektive, den technischen Möglichkeiten. Die Inszenierung von Daniela Kranz aber lässt sich zu wenig auf die Stream-Situation ein. Es ist eine abgefilmte Bühneninszenierung, die darauf hofft, eines Tages einem Livepublikum präsentiert werden zu können, keine Stream-Inszenierung. ||
NIEMAND WARTET AUF DICH
Resi streamt | 19., 22. 27. Feb | 19 Uhr
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