Bisher springt sie von einer Rolle zur nächsten: Dafür erhält die Schauspielerin Vanessa Eckart den Bayerischen Kunstförderpreis.

Vanessa Eckart: »Ich will wieder ins kalte Wasser springen«

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Vanessa Eckart | © Lily Erlinger

»Jeder Preis sucht unerbittlich seinen Träger«, lautet ein geflügeltes Wort von Gerhard Polt. Der Bayerische Kunstförderpreis fand zielgerichtet seine Trägerin: Vanessa Eckart, Schauspielerin am freien Münchner Metropoltheater und Kommissarin in der TV-Serie »Die Rosenheim-Cops«. Wir fragten die 33-Jährige nach ihrem Werdegang und wie sie sich mit der Auszeichnung fühlt.

VANESSA ECKART: Auf jeden Fall gut, weil sie Anerkennung und Wertschätzung bedeutet. Speziell in diesem Jahr 2020, wo so vieles nicht stattgefunden hat, gibt es einem das Gefühl, nicht übersehen zu werden. Theater ist grundsätzlich ein Risiko, man macht sich verletzlich. Da ist die Erfahrung, dass es sich gelohnt hat, sich was zu trauen, und man dafür belohnt wird, noch mal schöner.

Die Jurybegründung bezieht sich explizit auf Ihre Rollen in dem Stück »Die Wiedervereinigung der beiden Koreas«. Darin spielen Sie in 22 Kurzszenen, die alle mit der Trennung eines Paares zu tun haben, sieben verschiedene Rollen.
Dieses Stück ist eine besondere Herausforderung: Ohne einen Bogen spielen zu können, springt man von einer Situation in die nächste. Und in jeder neuen Szene muss man von null auf hundert gehen.

Sie sind Münchnerin, geboren und aufgewachsen in Baldham bei Vaterstetten. Wie sind Sie zum Theater gekommen?
Nach dem Abitur hatte ich keine Lust zum Studieren. Das Stillsitzen in der Schule und die Prüfungen waren fürchterlich für mich, das wollte ich nicht mehr. So hab ich erst mal die Freiheit genossen und beim Stadtmagazin »Prinz« im Anzeigenbereich gearbeitet, das war eine gute Zeit. Aber nach einem Jahr fehlte mir der Funke, das gute Herzklopfen. Ich wollte was ausprobieren, da kam der Gedanke, auf eine Schauspielschule zu gehen.

Sind Sie in der Hinsicht vorbelastet?
Mein Elternhaus war kultur- und theateraffin. Meiner Mutter war Sprache wichtig, sie hat mir viel vorgelesen. Und ich drücke mich gern aus, verbal und mimisch, solche Puzzlesteine haben wohl den Weg geebnet. Zunächst hab ich auch überlegt, Soziologie zu studieren, weil mich Gesellschaften und Menschen interessieren. Den Eignungstest an der LMU habe ich bestanden, mich aber gleichzeitig beim Schauspiel München beworben.

Warum eine private Schauspielschule?
Ich kannte niemanden in meinem näheren Umfeld, der mir hätte sagen können, ob ich Talent habe. Deswegen hab ich mich nicht getraut, mich an der Falckenberg-Schule oder der Theaterakademie zu bewerben, da hatte ich zu viel Ehrfurcht.

Silvia Andersen und Werner Eggenhofer haben damals die Schule Schauspiel München geleitetet und Sie gleich angenommen für die dreijährige Ausbildung.
Dort haben auch Dozenten von der Falckenberg-Schule und der Theaterakademie wie Mario Andersen unterrichtet. 2015 habe ich schon während der Ausbildung am Torturmtheater Sommerhausen gespielt. Dann hat mich Jochen Schölch in der Regiearbeit einer Studentin gesehen und 2016 an sein Metropoltheater engagiert, da habe ich in »Wie im Himmel« die Rolle einer schwangeren Kollegin übernommen.

Dort ist niemand fest angestellt, aber es gibt einen festen Darstellerkern, zu dem Sie seitdem gehören und in vielen Stücken zu sehen waren. Mittlerweile sind Sie auch Kommissarin in der ZDF-Serie »Die Rosenheim-Cops«. Wie hat sich das ergeben?
Zuerst war mein Fokus ganz auf dem Metropoltheater, ich war sehr eingespannt mit Proben und Wiederaufnahmen. Dann haben sich in schleichenden Prozessen Nebenwege eröffnet. Ich hatte das Glück, zu einer Agentur zu kommen, und langsam ging es mit kleinen TV-Nebenrollen los. Dabei lernt man ja immer mehr Leute kennen. Inzwischen spreche ich auch Synchron, dafür habe ich aus Eigeninitiative Kontakte gesucht und Sprechproben geschickt. So hat das zunehmend Fahrt gewonnen, und es gab viele Menschen, die mich unterstützt und mir weitergeholfen haben. Die sagten, natürlich kannst du das, und so selbstverständlich auf mich vertraut haben wie Jochen.

Werden Sie auf der Straße als TV-Kommissarin Eva Winter angesprochen?
Bisher nicht. Aber ich finde es bezaubernd, dass ich auf der Straße oder in der U-Bahn von Metropol-Besuchern erkannt werde – sogar mit Corona-Maske.

Wie soll es weitergehen zwischen Theater und Fernsehen?
Im Metropol sprechen wir offen ab, was möglich ist. Man muss lernen herauszufinden, wie viel geht. Ich würde nie auf Theater verzichten. Die Probenprozesse sind so spannend, dieses Ausprobieren im sicheren Raum ist lebendig, kreativ, ein unglaublich erfüllender Zustand. Eine Aufführung ist nie in Stein gemeißelt, sie atmet, und wenn sich ein Rädchen etwas anders dreht, kann man manchmal die Rolle neu begreifen. Wenn man ein Buch zehn Jahre später noch mal liest, hat sich die eigene Wahrnehmung auch verändert.

Können Sie am Theater derzeit überhaupt proben?
Bei uns gibt’s momentan keine praktische Arbeit. Große Stücke verbieten sich, aber wir spinnen im Gespräch herum, was an kleinen Stücken möglich sein kann. Beim Streaming fehlt mir der elektrisierende Funke. Die Nichtreproduzierbarkeit einer Liveaufführung macht ja den Reiz. Das Dabei-Sein ist auch für den Zuschauer das Wichtige.

Und wie geht’s mit dem Fernsehen weiter?
Für »Die Rosenheim-Cops« haben wir seit zwei Jahren 23 Folgen gedreht. Ich habe mich entschieden, nicht mehr weiterzumachen, das darf ich jetzt offiziell sagen. Von dem Team trenne ich mich schwer, das waren so liebe Menschen. In den letzten Jahren habe ich viel gelernt und eine gesunde Routine bekommen, aber ich möchte neugierig bleiben. Andere Dinge ausprobieren, mal wieder ins kalte Wasser springen. Ich versuche immer, in mich reinzuhören, ob ich mich noch gut fühle. Und lebe damit glücklich, zufrieden und selbstbestimmt. ||

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