Ein von der Landeshauptstadt realisierter Licht-Spaziergang lädt im Kunstareal Flaneure zum Lichterlebnis rund um die Pinakotheken ein.

Kunstareal: Lichtkunst statt Böller

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Bei ihrer Lichtinsttallation »Inside out« projiziert Betty Mü Bilder auf die Museumsfassaden des Kunstareals, hier das Ägyptische Museum | © Sara Kurig

Normalerweise ist das organisierte Verbrechen dafür verantwortlich, wenn museale Inhalte nach draußen transportiert werden. In Berlin, in Dresden. Aber nicht in München. Hier sorgt derzeit die arrivierte Pionierin der digitalen Videokunst Betty Mü mit der grandiosen Installation »Inside Out« dafür, dass die wegen Corona geschlossenen Museen des Kunstareals in einem betörenden Lichtspektakel auf den Außenwänden des Ägyptischen Museums, der Pinakothek der Moderne und der Antikensammlung sich mit zeitgemäß anverwandelten, künstlerisch neu inszenierten Werken aus ihrem reichhaltigen Inneren draußen vor der Tür präsentieren können. Das begeistert – wie gut zu beobachten ist – auch jüngeres Publikum, das so vielleicht dazu angeregt wird, mal in die sehr zu Unrecht als verstaubt geltenden Kunsttempel reinzugehen. Wenn sie dann wieder offen sind.

Die atemberaubende Installation ist Teil der vom Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) initiierten und vom Kulturreferat mit umgesetzten Lichtaktion »Das Kunstareal verbindet«. Konzipiert und realisiert wurde sie nach einem von Betty Mü gewonnenen Wettbewerb im August in kürzester Zeit von der Künstleragentur WE ARE VIDEO. Zu dieser gehören neben der Videokünstlerin Mü auch die aus dem Gärtnerplatztheater bekannten Videospezialisten Raphael Kurig und Christian Gasteiger.

Die Idee hinter dem kulturellen, winterlichen Lichtspaziergang, der nach Stadtratsbeschluss ursprünglich eine Lichtshowzu Silvester hätte werden sollen: mit ausreichendem Abstand entspannt und sicher das 18 Museen und Ausstellungsräume umfassende Kunstareal, das ja auch eine bislang nur kulturellen Insidern bekannte eigene Geschäftsstelle hat, erleben zu können. Im Licht.

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Yul Zeser beleuchtet Klenzes Propyläen von innen mit Softboxen | © Derek Henthorn Photography

Langweilig wird einem da nicht – weitere eingeladene Künstler setzen zusätzlich Akzente. Yul Zeser hat Klenzes Propyläen von innen mit Softboxen beleuchtet. Dieses überaus helle, warme Licht verleiht dem klassizistischen Monument am Königsplatz, das ja eine nahezu unzugängliche Verkehrsinsel füllt, nie zuvor erlebte Präsenz, Materialität, Plastizität: Man will reingehen, und es lohnt sich. An der Ecke Barer-/Theresienstraße zwischen Alter und Neuer Pinakothek sorgen effektvoll illuminierte blattlose Winterbäume für eine geradezu betörende, raumschaffende Aufenthaltsqualität. Die bislang eher als unwirtliches Hundeklo bekannte Fußgängerallee aus halbhohen Bäumen hat dank der Idee von Georgel Cita vom Kulturreferat nun Atmosphäre bekommen.

Ein Highlight sind auch die 18 Lichtkugeln von Helmut Eding, die (leider inzwischen von einem Gitterzaun vor Vandalen geschützt) den Makrokosmos der angesiedelten Museen versinnbildlichen sollen. Schwarz-weiß bemalt macht ihr gleißendes pulsierendes Licht aus dem Inneren die unterschiedlich großen, locker gruppierten Kugeln zum magnetischen Eyecatcher, dem man sich nur schwer entziehen kann. Dabei leuchten die von Weitem sichtbaren Kugeln mit lediglich zehn Watt – und sind damit durchaus energiesparend. Auf Energieeffizienz wurde, wie Raphael Kurig sagt, auch sonst größter Wert gelegt. Zum Einsatz kam hauptsächlich ausgetüftelte LED-Technik. Das wird etwa deutlich an den Beams-Lampen, die auf den Dächern der Gebäude montiert sind und konzeptuell das Areal begrenzen – nach oben und an den Rändern. Was man beim Rundgang deutlich spürt. Durch die besondere Bauart des Strahlers, der auch nur etwa 300 Watt verbraucht, entsteht ein stark gebündeltes – und je nach Wetterlage anders wirkendes – Licht.

Weitere Licht-Kunst-Griffe sind die dezenten Beleuchtungen des Amerikahauses, der alten NSBauten (heute Musikhochschule und Zentralinstitut für Kunstgeschichte) oder etwa des Eingangs am Museum Reich der Kristalle in den LMU-Gebäuden an der Theresienstraße. Zusätzlich scheint das Haus, das damit auch einmal eigens in die Wahrnehmung gerückt wird, mit seinen attraktiven Exponaten in Betty Müs Video an der Nordwand der Pinakothek der Moderne gegenüber auf. Ähnliches gilt auch für das Ägyptische Museum, das nun dank der anregenden Projektion auf seiner Eingangswand – die einzige im Außenbereich sichtbare Mauer dieses sonst unterirdischen Hauses – die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfährt.

Obwohl ein ästhetisches Ziel dieser Museums-Lichtspiele ja eine dezente Ausstrahlung war. »Wir wollten keine imposante Show, kein buntes Lichtspektakel«, erläutert Raphael Kurig das Konzept, sondern eine minimalistische Präsentation, die den von Betty Mü inhaltlich interpretierten Museen nicht den Rang abläuft. Deshalb haben wir bevorzugt zurückhaltende warmweiße Lichtquellen verwendet.« Für Betty Mü war das meditative Erlebnis wichtig, das durch das Eintauchen in die abstrakten, mitunter an Kaleidoskopbilder erinnernden Projektionen erzeugt wird. Ab Januar projiziert sie zusätzlich auf die Ostseite der Alten Pinakothek Gesichter, deren Blicke mit uns Kontakt aufnehmen. Und das Referat für Arbeit und Wirtschaft freut sich darüber, dass die ursprünglich als kurzer optischer Silvesterknaller geplante Darbietung nun über zwei Monate lang zu sehen ist. ||

DAS KUNSTAREAL VERBINDET
Eine Lichtaktion der Landeshauptstadt München
bis 14. Februar 2021 | täglich von 16.30 bis 22.00 Uhr, während der Ausgangsbeschränkung bis 21 Uhr
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