Christin Henkel ist Musikerin, Autorin, Wahlschwabingerin. Und sieht die Welt durch die Brille der Ironie.

Christin Henkel: Das Leben, ein Spiel

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Nicht Schwabing allein: Christin Henkel © Ralf Dombrowski

Etiketten anheften geht am schnellsten. Also: Christin Henkel ist die Anna Depenbusch von München. Denn wenn sie singt, hat die Wahlschwabingerin aus Meiningen einen ähnlich hintergründig offensiven Witz wie ihre Hamburger Kollegin. Aber dann wird es schon schwierig mit den Zuordnungen. Denn bislang wollte sich Henkel nicht entscheiden, in welcher gestalterischen Branche sie sich am wohlsten fühlt. Da ist die Musik, in die sie zunächst über das Klavier in ihrer Heimatstadt und in Weimar hineinfand, bevor sie sich an der Münchner Hochschule für Musik und Theater als Studentin von Enjott Schneider und Gerd Baumann auf Filmmusik konzentrierte.

Das war es aber nicht allein, denn gleichzeitig schrieb und sang sie eigene Songs, die ihr mehrere Nachwuchspreise bescherten. Und da sie sich schon mit Worten und Texten beschäftigte, überführte sie ihre frühen Erfahrungen mit dem Künstlerleben auch gleich in Buchform, als Debüt »Juhu, berühmt! Ach nee, doch nich’« (2017), gefolgt von »Querulantinnen« (2018) und unlängst fortgesetzt mit »Achtsam scheitern – Wie ich die Erde retten und dabei gut duften wollte« (2020). Auf Spotify findet man Singles wie »Maxvorstadt, Baby!«, die sie trotz Abstandsregeln im Sommer mit den Münchner Philharmonikern als Unterstützung aufgenommen hat, im weiteren Suchverlauf außerdem EPs und Alben wie »KlaKaSon« (2014) und »Prokrastination« (2018). Modeln könnte sie eigentlich auch, hat außerdem Kinder und ist somit eine dieser beängstigend souveränen Frauen, die nicht nur der Männerwelt den Schweiß des eigenen Versagens im Angesicht des Polytalents auf die Stirn treiben. Zum Glück sind da aber eben auch Bücher wie »Achtsam scheitern«, die dem Ernst des Erfolgs den Humor der Selbstironie gegenüberstellen.

Hier tauchen sie auf, die »Infaulenzerinnen« und Feierabend-Yogis, Umverpack-Experten und Müllvermeider, ein fröhliches Defilee der Achtsamkeits-Nerds, deren stellenweise absurd paradoxe Lebensentwürfe die Autorin aus der Perspektive der eigenen ökobewegten Kindheit, studentisch-naiven Jugend und polternd-überdrehten Urbanität reflektiert. Die Welt ist ein Kaleidoskop der Fettnäpfchen, und erst wenn man in so manches davon tritt, bekommt man die Aura der Selbstverständlichkeit, die Christin Henkel ausstrahlt. ||

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CHRISTIN HENKEL: ACHTSAM SCHEITERN – WIE ICH DIE ERDE RETTEN UND DABEI GUT DUFTEN WOLLTE | Eulenspiegel Verlag (Berlin), 2020 | 176 Seiten | 14 Euro

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