Die Säle sind zu, aber die Kirchen offen. Das führt im Advent zu neuen spirituell-künstlerischen Allianzen.
»Advent CULTure«: Mit Gottes Segen
»Feliz Navidad«, sang das Gregor Huebner Trio am ersten Adventssonntag in der Münchner St.-Maximilian-Kirche. Und seine mitreißenden Rhythmen ließen jenen Wunsch nach einer frohen Weihnacht jetzt schon fröhliche Wirklichkeit sein. Eigentlich hätte das Publikum dazu auch ausgelassen tanzen müssen. Doch übermäßiges Bewegen wurde ihm in diesem Corona-Jahr mit all seinen Pandemie-Maßnahmen abgewöhnt. Sitzend genoss es stattdessen die Musik, der es sodann immerhin euphorisch applaudierte. Wenigstens der Beifall ist nämlich immer noch so, wie man ihn aus Konzerten vor der Seuche kennt. Nur dass dieser Auftritt streng genommen gar kein Konzert war, sondern die musikalische Begleitung eines katholischen Gottesdienstes.
Weil die Konzertsäle derzeit wegen der Infektionsgefahr geschlossen sind und Musiker damit ihrer Auftrittsmöglichkeiten beraubt, hatte die ohnehin für künstlerische Aktionen aufgeschlossene Münchner Kirchengemeinde St. Maximilian den himmlischen Einfall, ihre Gottesdienste in der Advents- und Weihnachtszeit bis zum 6. Januar von Musikern aus den verschiedenen Münchner Musikszenen begleiten zu lassen. Jazzmusiker wie der Pianist Walter Lang, der zusammen mit dem Gitarristen Philipp Schiepek deren neues Programm »Cathedral« vorstellt, Volksmusikanten wie das Harfenisten-Duo Franz & Franziska Eimer oder andere Münchner Legenden wie Konstantin Wecker konnte die Cellistin Fany Kammerlander für diese Veranstaltungsreihe gewinnen. »Advent CULTure« ist der Name der neuen Konzertund Gottesdienst-Symbiose. Die Großbuchstaben im Namen unterstreichen dabei den Kult, der jeder KULTur innewohnt.
Weil das Ganze dann auch noch von der Augustinerstiftung finanziell unterstützt wird, werden die Musiker für ihre ungewöhnlichen Auftritte sogar bezahlt. Ungewöhnlich sind die Auftritte wohlgemerkt nicht wegen des sakralen Raums. Kammerlander, die als Veranstalterin normalerweise für das Konzertprogramm der Bar Gabanyi verantwortlich ist und während des ersten Lockdowns als
Stream-Aktivistin bereits Musik in die digitale Welt schickte, konnte ihre Musikideen auch schon in die Auferstehungskirche retten, nachdem die kleine Kellerbar am Beethovenplatz ob ihrer Größe die verschärften CoronaAuflagen für Konzerte nicht erfüllen konnte.
Sobald die bayerische Staatsregierung das wieder zulässt, will Kammerlander die Donnerstagskonzerte in der Auferstehungskirche ebenfalls fortsetzen. Ob die außergewöhnliche musikalische Gestaltung der Gottesdienste in der St.-Maximilian-Kirche nach Epiphanias weiterläuft, macht Kirchenpfleger Stephan Alof davon abhängig, ob genügend Spenden für die Musik weitere Musiker finanzieren können. Diese müssen sich dann übrigens, und das ist das Ungewöhnliche solcher Auftritte, dem Verlauf des Gottesdienstes unterordnen. Das heißt, sie rahmen die Liturgie und spielen bis zu siebenminütige Stücke, wo normalerweise die Kirchenbesucher das Gesangbuch bemühen. Es ist eine Allianz, die aus der Not geboren wurde, inzwischen aber darüber hinaus reicht. In St. Paul gibt es am Sonntagabend »TatOrtZeit.Andacht« mit Texten und zeitgenössischer Musik. Statistiken verwiesen darauf, dass das Bedürfnis der säkularen Gesellschaft abnimmt, in die Kirche zu gehen. Jetzt helfen die Gotteshäuser den Künstlern, ihre Musik unmittelbar zu den Menschen zu bringen. Und die Künstler helfen den Kirchen, womöglich manch verlorenes Schaf über numinose Klänge wieder in die Nähe der Gemeinde zu locken. Im Idealfall ist die Erleuchtung nicht weit. ||
ADVENT CULTURE
St. Maximilian | Deutingerstr. 4
bis 6. Jan. 2021 | verschiedene Anfangszeiten
Eintritt frei
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