Das Private und das Öffentliche: Der Münchner Künstler Bernhard Springer lädt ein zu einer Zeitreise in seine 1980er Jahre.

Bernhard Springer: Rat Krespel und die Plastic-Indianer

springer

Bernhard Springer: »Die rote Maske« | 1983 | 220 x 135 cm,
Acryl + Sprühlack auf Leinwand | © Bernhard Springe

Ein kleines Picknick im Gras, zwei Kinder auf der Decke neben dem Buggy, der Kleine hält seinen Luftballon fest im Arm. »moderne zeiten / modernigkeiten / der bulle prügelt der bulle lacht / vor der zeit«, dieser Text schwebt als gespraytes Menetekel hinter, über der Idylle. Ein Zitat der Punk-Band Vitamin A aus einem Sampler des Kreuzberger Kulturzentrums und des Clubs SO36. »Vor der Zeit« lautet auch der Titel des Gemäldes von 1982 und der Retrospektive, mit der Bernhard Springer, Rat Krespel und »plastic indianer« auf die 80er Jahre zurückblicken. Drei Namen, drei Seelen in Springers Brust in seinem ersten Jahrzehnt als Künstler. Die akribisch coranagerecht geplante Präsentation in der halle50 der Domagk-Ateliers – mit Führungen, Musik von DJ Upstart und der Band LovePil – muss nun auf 2021 verschoben werden. Auch »Die rote Maske« kann man jetzt nicht live sehen, ein Gemälde von 1983, das den Umschlag von Helmut Kraussers Roman »Fette Welt« zierte, zugleich ein frühes Beispiel für die von Springer virtuos gehandhabte Maltechnik mit der Sprühdose. Bleibt nur der Katalog »Bernhard Springer. Neue Heimat«, der die Entwicklung von 1979 bis 1988 nachzeichnet.

Rat Krespel, »einer der allerwunderlichsten Menschen«, ist Titelheld der Erzählung von E.T.A. Hoffmann und ein Pseudonym von Bernhard Springer in der Künstlergruppe »frisch gestrichen«. Mit Genieästhetik und künstlerischen Strategien kennt Springer sich aus, der in München neben Literaturwissenschaft auch Theologie, Linguistik, Analytische Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie studiert und 1986 über »Narrative und optische Strukturen im Bedeutungsaufbau des Spielfilms« am Beispiel von Wenders’ und Handkes »Falsche Bewegung« promoviert hat. Da war Springer schon Teil der Münchner Kunstszene, in der 1980 gegründeten Gruppe zusammen mit Wolfgang L. Diller und Detlef Seidensticker und der Produzentengalerie »Werkstatt«/»U 5« im Westend. Als Rat Krespel zeichnete Springer Beiträge im experimentellen Fanzine »plastic indianer«, das auf einem geleasten Fotokopierer produziert wurde und dessen Nummer 15, ein Video der Gruppe, 1988 auf dem Internationalen Videofestival in Locarno mit dem Preis des Europarats prämiert wurde. Neben Neo-Dada-Skulpturen und crossmedialen Experimenten entwickelte Springer – ähnlich wie die Kollegen in den folgenden Gruppen »Neue Heimat«, »Ex-Neue Heimat« – seinen malerisch verfremdeten Realismus mit kritischer Reflexion von sozialen Beziehungen und Medienbildern. Er malte seine Familie, seine WG, und zugleich – in Bilder-Serien, bis heute – das Leben in Deutschland, die Gesichter und die Schauplätze der Zeitgeschichte. Springers Gemälde eröffnen Möglichkeiten, eigene Erfahrungen, kulturelles Wissen und unser Bildgedächtis zu reaktivieren. ||

BERNHARD SPRINGER. NEUE HEIMAT. MALEREI DER 1980ER JAHRE
icon Verlag Hubert Kretschmer, 2020
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