Die neue GOP-Show »Sombra« erzählt von Kontrasten. Noch bis 1. November.
»Sombra«: Licht im Schatten
»Sombra« heißt eine Hackerin im Shooter-Game »Overwatch«, ist Spanisch für Schatten und der Titel der neuen Show im GOP. In der predigt eine Märchenonkelstimme Kalenderweisheiten zur Interdependenz der Gegensätze: Ein wenig Erkenne-dich-Selbst, philosophische Aperçus und Küchenpsychologie addieren sich zum Versuch, einer artistisch exzellenten und smooth durchchoreografierten Show Bedeutungsschwere zu verleihen – und eine Art roten Faden, für den auch Mikail Karahan steht. Der Hamburger mit türkischen Wurzeln ist tatsächlich rot gekleidet, mit einem unwiderstehlichen Hundeblick und auch sonst allen körperlichen Vorzügen gesegnet, die ihn durch die Licht- und Schattenzonen des Lebens gleiten lassen sollten.
Daher hätte er bei seinem vergnügten Herumtollpatschen in Szenen, in denen seine Artistenkollegen zur Hochform auflaufen, die Ermunterungen der Off-Stimme gar nicht nötig. Die Equilibristin Laura Picard brilliert in einer Art Handstandcomedy als maulwurfsartiges Wesen, das sich zu mannigfachen Hieroglyphen auffaltet. Akira Fukagawa entfacht mit zwei variabel illuminierten Stöcken einen Feuerwerkszauber, der mal nach Sternenhagel, mal nach Laserschwertkampf aussieht. Vor einer weißen Mauer kreieren Bewegungen und darauf reagierende Projektionen eine aktiv mitlebende Bühne, für die Regisseur Nikos Hippler schon in seiner Trommelshow »Impulse« eine Schwäche gezeigt hat, ebenso wie für die tänzerische Grundausrichtung. Wo andere Varietéabende einen Conférencier brauchen, leiten hier von Svenja Krebeck choreografierte Gruppenszenen zur nächsten Nummer über. Und die nimmermüden, spanisch angehauchten Gitarren von Wolfgang Stute.
Hier regiert akustisch wie optisch der Flow – und die Lust an eigentümlichen Bildern. So steckt der Kopf Diego Salles’ zur Gänze in einem Riesenturban, der aus seinem rostroten Vertikaltuch besteht. Wie er sich daraus befreit und wieder darin verschlingt, ist voller masochistisch angehauchter Zärtlichkeit und betörend schön. So wie auch vieles andere in der Show, in der nur das Duo Spirit auf spektakulärste Weise miteinander auf Tuchfühlung geht. Denn am Boden, in der Luft und auch privat sind Dmitrii und das Bauchmuskelwunder Luiza ein Paar. Und gerade, als man sich fragt, was der charismatische Tollpatsch Mikail eigentlich kann, kollidiert der mit einem Cyr-Reifen. Die dann folgende Nummer voller verlegener Ausweich- und ulkiger Sturzbewegungen verrät eine ganz spezielle Könnerschaft: ein Licht, das sich selbst in den Schatten stellt. ||
SOMBRA
GOP Varieté-Theater | Maximilianstr. 47 | bis 1. Nov.
Mi bis Fr, 20 Uhr, Sa 17.30 und 21 Uhr, So 14.30 und 18.30 Uhr
Tickets: 089 210288444
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