Am 3. Oktober erschien unsere 100. Ausgabe. Die Redaktion und ehemalige MitstreiterInnen haben noch einmal zurück geblickt und ihre Gedanken zu diesem Ereignis formuliert. Hier gibt es wöchentlich eine Auswahl davon.
Begeisterung, Sturheit und einen langen Atem braucht, wer ein Kulturblatt gründet.
GABRIELLA LORENZ, MF-Patin und Theaterredakteurin von 2010 bis 2017, MF-Autorin
Am Anfang war das Wort: Ja. Zwei Frauen, ein Wort. Zuvor hatte ich meinen Urknall erlebt: Kündigung nach 30 Jahren als Theaterkritikerin der AZ. Bei einer Massenentlassung mussten 39 Redakteure (von 90) ihre Schreibtische räumen. Über 200 Münchner Kulturschaffende unterzeichneten einen Protestbrief gegen den Rausschmiss altgedienter und szenekundiger Kulturredakteure, vergeblich. Dann rief meine Freundin Christiane Pfau an: Ob ich mich trauen würde, mit ihr in München eine freie Zeitung zu gründen, die sich nur mit Kultur beschäftige? Ich sagte: Ja.
Von da an ging’s bergab: In die Mühen der Ebene. Mitarbeiter suchen, in vielen Sitzungen mit vielen Interessenten über Konzepte und Ideen diskutieren, schließlich fünf Menschen für ein Team auswählen. Das Zeitungmachen mussten alle erst lernen, meine Redaktionserfahrung half oft weiter. Die Mühen der Ebene lohnten sich: Das Team funktionierte. Nach anderthalb Jahren hielten wir im Herbst 2011 das erste gedruckte MF in Händen. Unglaublich! Es ging aufwärts – bis heute getragen durch die Selbstausbeutung und den Idealismus der Redakteure. Niemand ist fest angestellt (aber freie Mitarbeiter werden stets angemessen bezahlt). Man konferiert in Christianes Büro und arbeitet zu Hause. Ein aus der Not entstandenes, revolutionäres (und corona-taugliches) Home-Office-Modell. Das MF ist Christianes Baby. Ich war die Hebamme und Patentante. Hoffentlich übersteht das 9-jährige Kind die Pandemie, und es geht weiter aufwärts. ||
DAVID STEINITZ, Gründungsmitglied, von 2011 bis 2014 Musik- und Filmredakteur, heute bei der »Süddeutschen Zeitung«
In die Gründungsmannschaft des »Münchner Feuilletons« kam ich durch eine dreiste Lüge. Weil die Idee einer neuen Kulturzeitung in einem komplett übersättigten Printmarkt verrückt genug war, um unbedingt dabei sein zu wollen, und weil mein eigentliches Steckenpferd, das Kinoressort, zunächst schon vergeben war, behauptete ich, mich um die Musik kümmern zu können. Pop? Ok, das ging noch so gerade. Aber Klassik? Ohne den genauen Unterschied zwischen Puccini und Panini zu kennen, machte ich mich ans Redakteurswerk. Dass einmal im Monat Alkohol ausgeschenkt wurde, diente angeblich dem Feiern der aktuellen Ausgabe; vielleicht mussten sich die Kollegen aber auch meine publizistische Sturm-und-Drang-Phase schön trinken. Gut 30 Nummern lang war ich dabei, bevor ich zur »Süddeutschen Zeitung« weiterwanderte. Die Haidhausen Years beim »Münchner Feuilleton« mit beseelten Butterbreznkonferenzen waren die beste Autodidaktenjournalistenschule, die man sich wünschen kann. ||
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