Christian Stückl verlegt die neue Volkstheater-Spielzeit weit nach vorne. Denn je länger der Lockdown dauert, desto mehr wächst die Sehnsucht nach analogem Theater. Bei Zuschauern wie Theatermachern.

Volkstheater: Wir wollen zurück auf die Bühne!

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Christian Stückl packt die neue Spielzeit an | © Gabriela Neeb

Christian Stückl ist ein Theatermann aus Leidenschaft, und das hört man ihm an, als er am 6. Mai – via Facebook-Stream – ans Stehpult im Foyer des Theaters tritt, um zu verkünden, dass das Münchner Volkstheater etwas Unerhörtes vorhat: die Theaterferien verschieben. Statt in Schockstarre zu verfallen oder abgefilmte Aufführungen und Live-Wohnküchen-Inszenierungen zu streamen, will das Volkstheater zusperren. Aber nur, um die Spielzeit 2020/2021 vorzuverlegen. Sapir Heller, Mirjam Loibl, Simon Solberg, Abdullah Kenan Karaca und Stückl selber werden ab 15. Juni mit 16 Schauspielerinnen und Schauspielern gleichzeitig im ganzen Haus proben, damit sie bis zum 24. Juli fünf Inszenierungen vor echten Menschen im Theater und im Garten spielen können. Kulturreferent Biebl steht hinter ihm, und mit dem Gesundheitsamt wird es hoffentlich auch klappen.

»Ich will auf die Bühne, wir brauchen den Applaus, wir brauchen die Leute«, sagt Stückl, »ich hab das Gefühl, wir sind das unserm Publikum und auch uns selbst schuldig.« Er konstatiert, dass Kultur und Kunst in den Verlautbarungen zur Rückkehr aus dem Corona-Lockdown mit keinem Wort benannt wurden. Das ist für ihn aber kein Grund, ergeben darauf zu warten, was die bayerische Staatsregierung beschließt. Gerade weil er als Stadttheaterintendant in einer sicheren Position sei, fühle er sich verpflichtet eigene Ideen zu entwickeln und voranzutreiben. Inzwischen haben die Kulturminister der Länder »Eckpunkte für Eröffnungsstrategien« verkündet, die im Prinzip Stückls Konzept aufnehmen.

Wenn Fußball und Gastronomie möglich seien, müsse das auch für die Kultur gelten, räumte Ministerpräsident Söder ein. Da liegt für ihn also der Stellenwert von Kultur: nach Fußball und Gastronomie. Stückl, der nicht müde wird, sich bei seinen Mitarbeitern und dem Betriebsrat zu bedanken, die den Weg raus aus dem Theater-Lockdown durch ihre Mitwirkung erst möglich machen, stellt schon eine Woche vor Söders Erkenntnis fertige Pläne vor. Dann passen statt 600 Zuschauern höchstens noch 96 in den Theatersaal, aber lieber spielen sie vor 96 Menschen als gar nicht. Im Garten sollen 45 Platz finden. Kürzere Produktionen von einer bis anderthalb Stunden könnten auch zwei Mal am Tag aufgeführt werden. Die fünf coronatauglichen Inszenierungen werden natürlich auch »die Spuckrichtung eines Schauspielers beachten« wie überhaupt alle Hygienevorschriften. Was Gastronomie und Gottesdienst können, kann Theater auch. Schließlich ist das Theater aus der Kulthandlung hervorgegangen. Stückl geht davon aus, dass die Menschen im Sommer wahrscheinlich mehr im Inland sein werden, weil sie nicht so weit verreisen können. Deshalb will das Volkstheater vom Beginn der Sommerferien an spielen. Und möchte dann auch Kinderprogramm an den Vormittagen anbieten. Oder musikalische Dämmerschoppen im Garten, um notleidende Musiker zu unterstützen.

»Wir müssen zurück auf die Bühne« ist Stückls Kernsatz. Und damit ist er nicht allein (s. auch S. 10). Die Schauburg arbeitet schon länger an einem Konzept und probt »Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin«. Die Kammerspiele haben die Proben zu Enis Macis »Wunder« sowie Susanne Kennedys und Markus Selgs »Oracle« wiederaufgenommen und denken darüber nach, wie sie sich nach fünf Jahren vom Münchner Publikum verabschieden. Max Wagner, der Chef des Gasteig, hat einen Plan entwickelt, wie Konzerte in der Philharmonie stattfinden können. Die Lach- und Schießgesellschaft hat ein Hygienekonzept entwickelt und einen Spielplan für Juni in petto, der stakkatoartig Publikumslieblinge wie Sigi Zimmerschied, Faltsch Wagoni, Michael Altinger oder Sulaiman Masomi auflistet, der 2018 das große Scharfrichterbeil gewann. Auch Andreas Beck vom Residenztheater ist dabei, sein Haus für analoges Theater coronatauglich zu machen. Auf der Webseite heißt es: »Wir vermissen Sie genauso sehr wie Sie uns.« Oder wie Christian Stückl in seiner Pressekonferenz sagte: »Wir freuen uns auf Euch, ob Journalisten oder Publikum, wir sehnen uns nach Euch!« ||

SAISONSTART
Volkstheater, Brienner Str. 50 | ab 24. Juli
Tickets: 089 5234655

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