Auf den Spuren des Naturforschers Alexander von Humboldt: Im Ismaninger Schlosspavillon ist noch bis 31. Mai ein Bilderzyklus von Joachim Jung zu sehen, der Humboldts Zeit als Bergwerksbeauftragter im Fichtelgebirge poetisch veranschaulicht.

Papagei, Rabe und Rauchschwalbe

joachim jung

Joachim Jung vor seinem Porträt Alexander von Humboldts | © Hartmut Koschyk

Die Kunst hatte und hat es schwer in diesen Tagen der pandemiebedingten Einschränkungen. So verlor sich seit Mitte März die einladende Leichtigkeit der Inschrift über dem Giebel des Ismaninger Schlosspavillons: BEATUS ILLE QUI PROCUL NEGOTIIS. Das Horaz-Zitat »Glücklich jener, der fern von den Geschäften« nahm eher unschöne Konnotationen an. Die Türe war zwei Monate versperrt. Dabei sind die Stuckdecken, Holzpaneele und textilen Wandbespannungen des 1730 als barockes Lustschlösschen erbauten, im 19. Jahrhundert klassizistisch veränderten und nun neu renovierten Gebäudes ein schöner, zeitlich passender Rahmen für Entdeckungsreisen der besonderen Art: Der Münchner Maler Joachim Jung hat sich auf die Suche nach Alexander von Humboldt begeben und nach mehreren Jahren eingehender Forschung und Beschäftigung mit dem faszinierenden Universalgelehrten umfangreiche Zyklen von Bildern geschaffen. Nun ist die Schau, die kurz nach der Vernissage am 6. März schließen musste, nur noch bis 30. Mai zu sehen. Freischwebende Aquarelle, in den Bildern und auf Extrablättern fliegende, schaukelnde Papageien und Raben in farblichen Metamorphosen, Dokumentarisches in Grautönen und ein Zettelwerk: Joachim Jung hat in den achteckigen Mittelsaal und die zwei rechteckigen Seitenräume seine Sicht der Anfänge Humboldts im Fichtelgebirge hineinkomponiert.

Humboldts Grubenlampe
Alles war bei Humboldt schon angelegt, als er dort als preußischer Bergbeauftragter von 1792 bis 1797 arbeitete und unterwegs war: das rastlose Forschen, die Sehnsucht nach den Tropen, die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit des Universalwissenschaftlers, der die Welt mit anderen Augen zu sehen begann und den Begriff der Natur als »Netz des Lebens« neu definierte. Die Leiterin der Galerie im Schlosspavillon, Gisela Hesse, nennt Joachim Jung in ihrer Eröffnungsrede einen »künstlerischen Spurensucher«. In umfangreichen Zyklen schuf er bereits Bildwelten zu Künstlern, Autoren und Forschern wie Henry David Thoreau, die Familie Mann, August Macke und Paul Klee, Carl von Linde und Joseph von Fraunhofer. Vor Ort ist er bekannt durch die Gemäldeserie »Augustes Suite« (2002) zur Familie Leuchtenberg und zum Ismaninger Schloss, weiter durch die Reihe seiner sensiblen Aquarellstudien »Ismaninger Portraits« (2010). Im Schlosspavillon war 2013 seine Ausstellung »Jean Paulscher Bildersaal« zu sehen. Joachim Jung erforscht jeweils über Jahre hinweg akribisch Lebens- und Arbeitsspuren. Die dabei entstehenden Werke sind kritische, analytische Erinnerungsprojekte und gleichzeitig entfaltet sich die Magie eigenständigen künstlerischen Schaffens. Die Bilder zeigen Landschaften des Fichtelgebirges um Goldkronach, in denen Humboldt unterwegs war; die »Mühle von Goldmühl«, Einstiege in Grubenschächte, die Grubenlampe, die der junge Bergassessor erfand. Beinahe wäre er bei schonungslosen Experimenten mit ihr in der Tiefe des Alaunbergwerks bei Bad Berneck zu Tode gekommen. Die Titel der Aquarelle wie »Ich treibe Ackerbau in Freibergischen Gruben« finden Entsprechungen in den vielen Textzetteln an den Türen. Es sind handschriftliche Notizen Jungs aus den Tagebüchern und Briefen Humboldts, dazwischen ein Text Jean Pauls. Jung erzählt weiter, wo sich die zwei großen Geister hätten begegnen können. Der Künstler arbeitet nicht illustrativ und so ist die Farbe des Zoppatenbachs, dessen Wildheit Humboldt faszinierte, entgegen der Realität im Aquarell sehr blau.

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Joachim Jung: »Landschaft mit Bergwerken und Papageien« | © Joachim Jung

Humboldts Papagei
Den Naturforscher Humboldt begleitete dreißig Jahre ein schwarzer Papagei. Zu ihm gesellt sich ein Rabe. Sie sind in der Installation Jungs Spielelement und Symbol für die Zeit im Fichtelgebirge und der bereits in frühen Zeiten dokumentierten Sehnsucht Humboldts nach Exotik und Reisen in die Ferne. Die Vögel wechseln die Farben, fliegen aufeinander zu, begegnen sich, stehen einander gegenüber, entfernen sich. Es ist faszinierend, in den Bildern Joachim Jungs die oft auftretende Doppelung der Figuren zu beobachten und sie in ihrer Vielschichtigkeit zu verstehen. Der Künstler spielt sich selbst ein in den Humboldt’schen Kosmos, den er entwirft. »Im Fichtelgebirge« ist er in Farbkreisen und Farbgewittern in verschiedenen Richtungen unterwegs. Der Funke ist übergesprungen von den Versuchen Humboldts mit Galvanismus und Berührungselektrizität, den Überlegungen zu lebensschaffendem Hauch und Feuchtigkeit, worüber er mit Goethe korrespondierte. Das Aquarell »Wasserfarben« zeigt den Schöpfungsakt der elektrisierten malenden und zeichnenden Hände, darüber Gläser mit Farben in Schwarz- und Farbtönen. Im Bild fliegt die Rauchschwalbe, die Humboldt über dem Apure und Orinoco sah – als beseelendes Element, hauchzart. ||

Joachim Jung – eine Suche nach Alexander von Humboldt in Bildern
Galerie im Schlosspavillon Ismaning | Schloßstr. 1, 86737 Ismaning | bis 31. Mai | Di–So 14.30–17 Uhr
Mehr zu Humboldt, speziell über seine Zeit in Franken: Alexander von Humboldt Kulturforum Schloss Goldkronach e.V.

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