Streaming-Konzerte in Corona-Zeiten: Münchner Club reagieren mit Internetangeboten auf die Zwangsschließung. Drei Beispiele.
Draufhalten
Eigentlich wäre das coronabedingte Versammlungsverbot für alle Künstler und Veranstalter auch die Gelegenheit gewesen, die gesellschaftliche Relevanz ihrer Leistungen zu beweisen, indem sie diese temporär nicht anbieten. Soll doch die Gesellschaft prüfen, ob die verbliebenen Medien alleine das Bedürfnis nach Kultur sättigen können. Stattdessen aber sehen sich die Kulturschaffenden gerade in solcher tristen Zeit in der Verantwortung, ihrem Publikum nun mit den Möglichkeiten des Internets die bewährte Mischung aus Kurzweil, Anregung und Vergnügen zukommen zu lassen, für die sie Menschen normalerweise in Galerien, Konzerthallen oder Schauspielhäuser locken. Über Livestreams lassen sie Fans an ihren ganz privaten Wohnzimmerkonzerten teilnehmen. Oder Musiker treffen sich auf regulären Konzertbühnen, wo sie unter Livebedingungen spielen, nur eben ohne Publikum vor Ort. Stattdessen werden die Konzerte audiovisuell dokumentiert und ins Internet gestellt. Als Livestream, den man wie ein normales Konzert zur vorgegebenen Zeit nutzt, um etwa am Samstagabend ein Konzert aus dem Jazzclub Unterfahrt zu genießen. Zwar vermisst man in solchen Übertragungen den stimmungssteigernden Applaus der anderen Zuschauer. Kommentare auf den genutzten Internetseiten können aber dennoch eine Verbundenheit mit anderen Zuschauern herstellen. Dank der genutzten Emoticons schweben da in besonders erhabenen Konzertmomenten auch mal ganze Herz-Scharen über den Bildschirm. Das ist die visuelle Alternative zum tosenden Beifall, der hier aber auch in
besonders zarten Momenten getätigt wird, ohne den Musikgenuss zu stören.
Streaming-Konzerte in der Unterfahrt und der Glockenbachwerkstatt
Zumal die Klickzahlen auf den genutzten Internetseiten oft weit höher sind, als zum Beispiel der Kellerclub der Unterfahrt an Zuschauern fasst, scheinen deren Internetauftritte auch ein zusätzliches Publikum zu erreichen. Das können Menschen sein, die viel zu weit weg wohnen, als dass sie eigens für ein Konzert anreisen. Oder es sind Menschen, die das Programm ausprobieren, weil es im Internet auch nichts kostet. Wobei Spenden sehr wohl gewünscht sind. Da der Jazzclub sein Programm aber auch über Mitgliederbeiträge zumindest marginal absichern kann, ist es ihm tatsächlich möglich, die auftretenden Künstler für solche Onlinedarbietungen in jedem Fall zu honorieren. Solchen finanziellen Anreiz kann dagegen die Glockenbachwerkstatt ihren Künstlern nicht bieten, die hier wie in der Unterfahrt unter Livebedingungen ohne Publikum spielen. Nur, dass deren Auftritte nicht live übertragen, sondern als Videoaufzeichnung dokumentiert zeitversetzt ins Netz gestellt werden. Anders als die Livestreams der Unterfahrt bleiben die Konzertmitschnitte der Glocke dafür auch dauerhaft im Netz. Auf die Weise entsteht auf der Webseite sowie auf der Youtube-Seite der Glocke, auf Facebook und Instagram quasi eine kleine Werkschau des Münchner Undergrounds, den die Streaming-Konzerte »Glocke für zu Hause« in seinen verschiedenen Spielarten präsentiert. Insofern hier wie überhaupt im Programm der Glocke auch Musiker ein Forum finden, die ohnehin nicht von ihren Konzerteinnahmen leben können, ist es den Beteiligten auch gar nicht so wichtig, ob sie hier für ihre Darbietung bezahlt werden.
Trotzdem melden sich seit den ersten online präsentierten, circa halbstündigen Auftritten immer wieder neue Künstler, die auch mitwirken wollen. Gemeinhin werden darum an einem Tag in der Woche gleich drei Gigs hintereinander aufgenommen und dann im Abstand von circa zwei Tagen erstgesendet. Dabei gibt es für die Zuschauer daheim durchaus die Möglichkeit, die Künstler mit Spenden zu unterstützen. Sei es, dass sie über den entsprechenden Button Eintritt in einer selbstbestimmten Höhe zahlen, oder sei es, dass sie virtuell ein Getränk an der Bar kaufen, das im Idealfall dann aber auch im eigenen Kühlschrank stehen sollte. Andernfalls bleibt es bei einem entsprechenden Bierkonsum nur bei einem virtuellen Kater.
Streaming-Konzerte in der Bar Gabányi
Dass besondere Getränke aber auch zu einem besonderen Konzertabend gehören, wird wohl nirgends so kompetent belegt wie in der Bar Gabányi, die jeden Donnerstag mit einem Liveprogramm von Pop über Jazz bis Klassik überzeugt. Da aktuell auch diese Kellerbar am Beethovenplatz geschlossen ist, gibt es bis zur Wiedereröffnung auch daraus nun jeden Donnerstagabend ab 20.30 Uhr Streaming-Konzerte auf deren Youtube– und Facebook-Seiten. Zudem plaudert der Barchef Stefan Gabányi über Sorgenbrecher, Gesprächsbeschleuniger, Zielwasser und sonstige Spirituosen. Und er verrät jede Woche ein neues Rezept, damit die Zuschauer sich auch daheim die leckeren Getränke vom Tresen mischen können. Vorausgesetzt natürlich, sie haben die notwendigen Zutaten vorrätig. Mit der Konzertreihe begleitet die Bar Gabányi ein Crowdfunding, über das nicht nur die beteiligten Musiker und Mitarbeiter bezahlt, sondern auch der Erhalt der Bar gesichert werden soll. Denn das ist neben weiteren Abstrichen einer Onlineshow zum persönlichen Konzertbesuch ein weiterer Unterschied: Überleben können mit derlei Internetauftritten weder Künstler noch Veranstalter und erst recht keine Barbetreiber. ||
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