Faszinierend und mit ideologischer Schlagseite: »Der Fall Richard Jewell« von Clint Eastwood.
Der falsche Mann
Am 27. Juli 1996 explodierte während der Olympischen Spiele im Centennial Park in Atlanta eine Bombe, bei deren Explosion zwei Menschen ihr Leben verloren und mehr als 100 teilweise schwer verletzt wurden. Wie sich später herausstellte, war für die Tat ein radikaler Abtreibungsgegner verantwortlich, der jedoch erst im Jahr 2003 für sein Verbrechen belangt wurde. In seinem neuen Film nimmt sich der betagte Regisseur Clint Eastwood des Falls an. Im Zentrum seiner präzise getakteten Leinwanderzählung steht dabei nicht der Täter, sondern der Wachmann Richard Jewell. Er findet während eines Konzerts einen Rucksack voller Sprengstoff. Umgehend schlägt der Securitymann bei den Behörden Alarm. Bevor ein Räumkommando der Polizei die Bombe entschärfen kann, fliegt sie jedoch in die Luft. Richard Jewell überlebt das Attentat – nahezu unverletzt. Für die Ermittler vor Ort wird Jewell zum Verdachtsfall. Zunächst in den Medien als Held gefeiert – denn ohne sein frühes Alarmschlagen wären wohl noch viel mehr Menschen ums Leben gekommen –, erhärtet sich der polizeiliche Argwohn, als Jewells Background Gegenstand der Untersuchungen der Ermittler wird. Allzu sehr passt sein Profil zum Bild des typischen »lone gunman« oder Bombenlegers.
Pro-Trump-Polemik von Eastwood?
Jewell (gespielt von Paul Walter Hauser), ein gescheiterter Typ in seinen 30ern, ideologisch fragwürdig, Waffennarr und im Polizeidienst gescheitert, hangelt sich – bei seiner Mutter (Kathy Bates) wohnend – von Securityjob zu Securityjob und legt im Rahmen seiner Betätigungen einen übertriebenen Diensteifer an den Tag. Ein »perfect match« könnte man meinen. Doch FBI-Ermittler und Medien liegen daneben. Schnell wird klar, was die Vorverurteilung für Jewell und sein Privatleben für Folgen hat.
Richard Jewell – anders als Eastwoods Lieblingsfiguren
Clint Eastwoods detailverliebte Nacherzählung des Falls Richard Jewell basiert auf dem Sachbuch »The Suspect« von Kent Alexander und Kevin Salwen. Wer mit Eastwoods politisch extrem konservativen Einstellungen vertraut ist, wird schnell verleitet sein, seine Version des Falls Jewell als plumpe Pro-Trump-Polemik zu lesen (böse Medien, böses FBI). Dies würde der Verfilmung, die abseits aller ideologischen Grabenkämpfe in den USA ein Individualschicksal in den Fokus nimmt, jedoch nicht gerecht werden. Vielmehr beschäftigt sich Eastwood primär mit den Mechanismen der Aufmerksamkeitsgesellschaft als solcher. Und dennoch kommt »Der Fall Richard Jewell« nicht ohne ideologische Schlagseite aus: So wird etwa die damals berichterstattende CNN-Mitarbeiterin Kathy Scruggs (Olivia Wilde) in einem bizarr misogynen Zerrbild als öffentlichkeitsgeile Journalistin gezeichnet. Einen solchen undifferenzierten Quatsch hätte sich Eastwood sparen können, gelingt ihm doch in seinem ansonsten faszinierend inszenierten Film eine nuancenreiche Darstellung seiner Figuren, speziell seines Richard Jewell, der anders als Clint Eastwoods Lieblingscharaktere wie zuletzt in »Sully« oder »American Sniper« nicht als glänzender amerikanischer Held, sondern als Mensch mit guten Seiten wie auch mit all seinen Verfehlungen gezeichnet wird. ||
DER FALL RICHARD JEWELL
USA 2019 | Regie: Clint Eastwood | Mit: Paul Walter Hauser, Kathy Bates, Sam Rockwell u. a.
129 Minuten | Kinostart: 19. März
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