Das Buchheim Museum zeigt Paula Becker-Modersohn als Pionierin der Moderne.

»Mädchen mit Kaninchen«| 1901 | Öltempera auf Pappe, 61 x 55,5 cm © Von der Heydt-Museum Wuppertal

Die Bilder von Paula Modersohn-Becker sind unverwechselbar, stets eigenartig. Das zeigt, wenn man dieses oder jenes Museum besucht, ein Schwenk ins beginnende 20. Jahrhundert – wenn ihre Werke überhaupt, speziell im Süden Deutschlands, in der Sammlung vertreten sind. Schön, nun 30 Gemälden in der Sonderausstellung des Buchheim Museums zu begegnen, flankiert von den postimpressionistischen Pionieren der Moderne – Paulas Vorbildern Cezanne, Gauguin, van Gogh und den von ihr geschätzten »Nabis« Eduard Vuillard und Maurice Denis – sowie den Buchheim-Hausheiligen der Künstlergruppe Brücke wie Kirchner, Schmidt-Rottluff und Nolde. Damit bekräftigt die Präsentation die heutige Einschätzung, dass Modersohn-Becker die erste Pionierin der Moderne in Deutschland war, auch die erste Expressionistin – und kann sich dabei auf das Urteil des Sammlers und späteren Museumsgründers Lothar-Günter Buchheims aus den 50er Jahren berufen: »Paula Modersohn-Becker hat sich wohl als erste dem neuen Geist unterworfen und ihre vor der Natur gesteigerten Empfindungen ohne Einschränkung durchschulmäßige Regeln ins Bild gebracht.« Der Geist der Malerei wehte damals in Paris.

Paula Beckers »Aufbruch in die Moderne« – so der Untertitel der Bernrieder Ausstellung – startet mit einem Dialog-Dreieck: mit dem Landschaftsmaler Camille Corot (einer »Baumstudie« von 1865) und einer reizvollen, flirrenden Landschaft (»Soir d’été«, 1870) der schwedischen Malerin Jeanna Bauck, das erste Bild, das sie im Pariser Salon ausstellen konnte. Und: Bauck war Paula Beckers Lehrerin. Denn 1896 studierte die Zwanzigjährige an der Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen, und Bauck war ihr ein Vorbild: als Frau, die, ungebunden, von ihrer Kunst leben konnte. Im Herbst 1898 zieht Paula in die Künstlerkolonie Worpswede und wird Schülerin beim Maler Fritz Mackensen. 1900 geht sie um ersten Mal nach Paris, wo ihre Mitschülerin und Freundin Clara Westhoff bei Rodin studiert, die Weltausstellung lockt und künstlerische Entdeckungen zu machen sind. 1901 heiratet sie Mackensens Worpsweder Kollegen Otto Modersohn, der ihre Kunst schätzt und sie auch, nachdem die Ehe in die Krise gerät, finanziell unterstützt.

Paula Modersohn-Becker: »Mutter mit Kind an der Brust, Halbakt«| 1906 Öltempera auf Pappe, 74,5 x 52 cm

Die Ausstellung zeigt, wie Paula und Otto dieselbe Bauersfrau malen oder ähnliche Motive ins Bild setzen: Mädchen in der Natur und die Birken der Worpsweder Moorlandschaft. Wieder und wieder Paris: 1903 beim Ehepaar Westhoff-Rilke. Der Dichter ist Privatsekretär bei Rodin, und Paula bewundert dessen Zeichnungen (drei sind hier zu sehen): »In diesen Blättern herrscht Leidenschaft und ein Genie und ein sich NichtKümmern um die Konvention.« Ungeschönt sind auch Modersohn-Beckers Gemälde, nie geziert, romantisch-sentimental, verspielt-anekdotisch, was besonders bei ihren Mädchenfi guren bestürzend deutlich wird. Die Präsentation ist nicht chronologisch, sondern nach Motiven gehängt. Eine Wand versammelt drei späte Figurenbilder: den farbenglühenden, monumental inszenierten »sitzenden Mädchenakt mit Blumenvasen« von 1907 und zwei nackte Mütter mit Kind von 1906, dem Jahr, das sie ab Februar und über den Winter in Paris verbringt. Um sich von ihrem Mann Otto Modersohn zu trennen. Mit dem sie dann doch im März 1907 nach Worpswede zurückkehrt. Das Thema Mutterschaft wird nun real, aber kurz nach der Geburt ihrer Tochter stirbt die Malerin am 20. November 1907 mit 31 Jahren an einer Embolie.

Und dann ist da noch die Signatur PM-B. Die hat Paulas Mann Otto Modersohn eingeschrieben, denn seinerzeit wurden Bilder oft erst signiert, wenn sie verkauft oder auf Ausstellungen geschickt wurden. Verkauft aber hat die Künstlerin zu Lebzeiten nur fünf ihrer 750 Gemälde, kaum jemand hat ihre Bilder gesehen und nur ganz wenige Malerkollegen und Freunde haben damals ihre Bedeutung erkannt. »Das merkwürdigste war«, schreibt Rilke 1906, »Modersohns Frau an einer ganz eigenen Entwickelung ihrer Malerei zu finden, rücksichtslos und geradeaus malend, Dinge, die sehr worpswedisch sind und die noch nie einer sehen und malen konnte.« ||

PAULA MODERSOHN-BECKER. AUFBRUCH IN DIE MODERNE
Buchheim Museum| Am Hirschgarten 1, 82347 Bernried (bei Anfahrt mit Bahn/MVV Ticket-Ermäßigung 1 Euro | bis 8. März
Di–So/Fei 10–17 Uhr | Führungen: So, 14.30 Uhr; Audioguide, 45 Min., (jew. 3,50 Euro) | Leseführung PM-B und Rilke: 2./16./23. Feb., 16 Uhr | Finissage mit Direktorenführung: 8. März, 14 Uhr

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