Toshiko Okada inszeniert mit »The Vacuum Cleaner« an den Kammerspielen ein Vakuum der Einsamkeit.

Okadas Zeichensprache ist Ausdruck für das Gefühl der Unzugehörigkeit (Ensemble) | © Julian Baumann

Dünnwandig und dünnhäutig ist die Gesellschaft in Toshiki Okadas vierter Inszenierung für die Münchner Kammerspiele. »The Vacuum Cleaner« erzählt von dem genuin japanischen Phänomen der Hikikomori. Das sind von der Leistungsgesellschaft wieder ausgespiene, gescheiterte Existenzen, die sich aus allen sozialen Beziehungen zurückziehen, wieder bei den oft hochbetagten Eltern einziehen und das Haus über Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr verlassen.

Eine solche Hikikomori spielt Annette Paulmann. Ihr resignierter Vater (Walter Hess) monologisiert lieber über Kaffee mit Erdbeeraroma, als sich den Problemen der Familie zu stellen, und der Bruder (Damian Rebgetz) tut nur noch so, als würde er morgens zur Arbeit gehen. Er verbringt viel Zeit auf
einer Parkbank im Einkaufszentrum. Zu dritt leben sie in einem Schuhschachtelhaus aus papierenen Schiebetüren und schweigen einander an. Zugleich verschlossen und voller Verlangen nach tatsächlicher Nähe entlädt sich ihr Redebedarf nicht miteinander, sondern jeweils hinter der eigenen verriegelten Tür. Damit in den von den Papierwänden nur leidlich getrennten Räumlichkeiten zumindest ein bisschen Privatsphäre aufkommen kann, ist der Staubsauger ein willkommener Helfer: Ihre Wutanfälle schreit Paulmann in das tägliche Staubsaugerdröhnen. Ein Haushaltsgerät wird zum einzigen Ansprechpartner und deshalb ist der titelgebende »vacuum cleaner« natürlich ein lebendiges Wesen – Projektionsfläche
und Therapieersatz zugleich.

Julia Windischbauer spielt den ständigen Begleiter dieser tieftraurigen und einsamen Familie herrlich verschroben. Ihre Fransenhose wischelt bei jeder Bewegung wie eine Staubbürste über den Fußboden. Sie saugt das Familienleben in sich auf, mal leise summend als Hintergrundgeräusch, mal als alles übertönendes Röhren. Ob das Vakuum dieses Saugers als Echokammer oder emotionaler Reinraum dient, ist Ansichtssache. Zerknüllte Socken und Mordgedanken werden ihm gleichermaßen anvertraut. Windischbauers androider Ausdruckstanz begleitet in abgehackten Bewegungsloops ihre Alltagsbeobachtungen. Damit kommentiert und übersetzt sie das Unzugehörigkeitsgefühl aller Hausbewohner in eine Zeichensprache der Einsamkeit.

Okadas Text bleibt dabei eher schlicht, doch entsteht gerade durch die Bewegungschoreografie der Figuren bisweilen Tragikomik. Etwa wenn Damian Rebgetz den Widerspruch beschreibt, der ihn heimsucht, wenn er für die Arbeit das Hemd in die Hose stecken und eine Krawatte tragen soll. Im Spiegel betrachtet hat er nichts an sich auszusetzen, doch krümmt sich sein gesamter Leib bei der Vorstellung der Uniformierung. Da baumelt der imaginäre Schlips schier an dem sich ungelenk windenden Körper herum, ein zivilisatorischer Witz auf Kosten derer, die sich ihm nicht beugen wollen. In der Asynchronität von Bewegung und Äußerungen der Figuren wird deutlich, wie tiefgreifend sie der Gesellschaft abhandengekommen sind. ||

THE VACUUM CLEANER
Kammer 1| 8., 24. Jan., 14. Feb.| 20 Uhr | 14. Jan. | 20.30 Uhr
Tickets: 089 23396600

 


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