Die Dachauer Gemäldegalerie präsentiert den Landschaftsmaler Philipp Röth.

»Partie aus dem alten Gern im Winter – Blick aus meinen Atelier ca. 1892 | Öl auf Malpappe, 35 x 45,5 cm | Collectio Artium, Augsburg (WVZ 517) | ©Dachauer Galerien und Museen

Ein schöner, mächtiger Baum neben dem Gehöft, dessen große Krone bis über den Weg reicht, auf dem ein Hirte seinen Schafen voranschreitet. 1880 hat Philipp Röth diese sommerliche Landschaft bei Gut Nederling gemalt. Die Winterlinde, die fast ein Drittel des Bildes füllt, ist Münchens wohl ältester Baum und steht auch heute noch, hundert Jahre nach dem Tod des Künstlers. Zu dessen Andenken wurde sie »Röth-Linde« getauft, weil er sie so oft besucht und in ihrem Schatten skizziert hat – und als Maler den Baum mehrmals porträtierte.

Viele solch markante Bäume, solch idyllische Ansichten kann man in der RöthAusstellung der Dachauer Gemäldegalerie besichtigen, gleichsam Spaziergänge unternehmen nach Gern, nach Haimhausen, Hebertshausen und Mitterndorf im Dachauer Land, nach Allach, Augustenfeld und Karlsfeld, nach Maisach, Emmering und (Fürstenfeld-)Bruck, auch nach Weßling. An der Amper oder an der Würm, im Moos und auf Wiesen und Feldwegen, im Dorf oder an einem Waldsee. Und in den Bildern spazieren, dabei Wolken studieren und immer wieder Details entdecken: die Vegetation am Wegesrand und an Waldteichen, sandige Hangkanten, Wasseradern im Moos und Pfützen im Fahrweg, vom Wetter geformte Baumkronen.

Als neuntes Kind eines Schreinermeisters 1841 in Darmstadt geboren, sollte Philipp Röth wie sein älterer Bruder den Beruf des Steinmetz erlernen. Er wollte aber lieber malen – und hatte das Glück, mit 14 Jahren durch Stipendien der Großherzogin Mathilde privaten Unterricht beim Landschaftsmaler August Lucas und in der Zeichenschule des Galerieinspektors Karl Ludwig Seeger zu erhalten. (Seeger übrigens zählt zu den Entdeckern des Dachauer Moses als Landschaftsmotiv.) Dann studierte Röth ein Jahr an der Karlsruher Kunstschule bei Johann Wilhelm Schirmer, dem Begründer der Düsseldorfer Landschaftsschule. Am Anfang der Ausstellung stehen zum Vergleich Landschaftsbilder seiner Lehrer Lucas und Schirmer sowie von Paul Weber, der seit den 1860er Jahren sein Mentor war. Mit ihm reiste der nun in Düsseldorf freischaffende Künstler Röth 1863 erstmals nach Bayern: nach München, wo sie in der Pinakothek alte Meister kopierten, nach Dachau und ins Berchtesgadener Land, wo ihn Weber in die Gebirgsmalerei einführte.

Bald gab Röth das lukrative Genre der Bergmotive wieder auf und blieb seinem Konzept harmonischer, unspektakulärer Landschaft sein Leben lang treu. Da findet sich nur klein, in der Ferne, die Zugspitze im Süden über dem weiten Dachauer Horizont. Eine Gebirgslandschafts-Ausnahme und ein schönes Beispiel für Röths Könnerschaft ist die Flusslandschaft von 1871 mit den Gipfeln in Wolken, dem aufsteigenden Dunst und dem von der Rinderherde aufgewirbelten Staub der Landstraße.

Die Linde bei Gut Nederling (links) – Philipp Röth: »Sommerliche Landschaft mit Schafherde«| 1880 | Öl auf Leinwand, 50 x 75 cm | Privatbesitz (WVZ 1214)

Mit seinem Karlsruher Freund Hans Thoma kam Röth 1869 wieder ins Dachauer Land, und seither jeden Sommer. Er heiratete Paul Webers Tochter Pauline und übersiedelte mit ihr 1871, Thoma folgend, nach München: wie viele andere – 2000 Maler lebten damals in der Kunststadt –, die dort ihre Verkaufschancen nutzen wollten. Zwar fand Röth Anschluss in Lenbachs Künstlergesellschaft Allotria und im Kunstverein, doch konnte er zwei Jahrzehnte lang mit seinen Bildern nur mit viel Mühe die Familie ernähren. Das Angebot einer Inspektorenstelle an der Großherzoglichen Galerie in Darmstadt freilich lehnte er ab, immerhin kaufte die Galerie sein Gemälde »Am Waldessaum«, »zum sensationellen Preis von 5.000 Mark«, wie der Katalog zur Dachauer Ausstellung bemerkt. Ein – vielleicht kleineres – Bild desselben Titels kostete bei einer Ausstellung 1886 in Basel 600 Franken.

Ein Beispiel für die großformatigen seiner im Atelier gemalten, sorgsam ausgewogenen Landschaftskompositionen ist nun in Dachau zu sehen, »Kühe an einem Waldweiher« (1882), mit 170 x 130 cm das größte bekannte RöthGemälde. Ansonsten messen die meisten der gezeigten Bilder auf Leinwand unter einem Meter, die Formate auf Malpappe liegen bei ca. 21 x 27 oder 17 x 21 cm. Eine solche kleine Studie von 1894 mit einem wunderbaren Himmelsleuchten ist das Plakatmotiv der von Direktorin Elisabeth Boser und Röth-Spezialistin Bettina Best kuratierten Ausstellung; es ist im Bestand der Dachauer Gemäldegalerie.

In deren Dauerausstellung zur Malerei in und um Dachau ist Röth mit vier Bildern vertreten – sodass sich dort, eine Etage unter der Röth-Ausstellung, Vergleiche der Motive und Malweisen ziehen lassen. In den 1890er Jahren ermöglichten die chemischen Farben, fertig aus der Tube, ein leichteres Arbeiten in der Natur. Es ist interessant, neben den Variationen seines landschaftlichen Motivschatzes, im Detail Röths malerische Technik zu studieren – gerade weil er kein Revolutionär war wie die 1892 in München auftrumpfenden Sezessionisten und die Kühneren unter den Malern in Dachau.

Röths lebenslang variiertes Landschaftsideal basiert auf der Sicht der niederländischen Altmeister mit ihrer Schilderung von Naturkräften und heimischen Dörfern (eine Ruysdael-Kopie Röths weist darauf hin). Damit steht er zwischen den künstlich komponierten Ideallandschaften, etwa Schirmers, vor 1850 und Röths Zeitgenossen, die als radikalere Realisten oder malerisch steigernde Stimmungslandschafter der Natur Spezialreize abzugewinnen trachteten oder als Impressionisten die Licht-Sensationen ins Bild setzten. Röth blieb ein Traditionalist in der beginnenden Moderne. Der nun in München Anerkennung fand – als Jurymitglied der Künstlergenossenschaft und als regel mäßiger Aussteller im Glaspalast –, dessen idyllische Flusslandschaften mit Brücke, Tieren und Gehöft von der Galerie Heilemann gut verkauft wurden und der 1901 zum 60. Geburtstag mit einem Fest im Künstlerhaus sowie 1903 mit einer Ehrenprofessur gewürdigt wurde. Seit 1892 wohnte die Familie in einem Reiheneckhaus in der Villenkolonie Gern, Böcklinstraße 29. Sein Atelier lag im Obergeschoss, und den Ausblick aus dem Fenster auf die nicht mehr bäuerliche Umgebung hat Röth natürlich auch festgehalten.

In einem Kabinett führt die Ausstellung eigens Skizzen und Arbeiten auf Papier vor Augen. Hier ist noch vieles zu entdecken, während das umfangreiche Œuvre der Gemälde gerade in einem Werkverzeichnis dokumentiert wurde. Mit Zeichnungen, Aquarellen und kleinen Ölskizzen führte Röth sein reiches, intimes Werk fort, denn für große, aufwendige Atelierbilder reichten die Kräfte nicht mehr. Drei Jahre vor seinem Tod 1921 hatte Röth wegen Erblindung das Malen aufgeben müssen; auch war sein Aktionsradius schon zunehmend eingeschränkt, seine Spaziergänge führten ihn nur mehr bis zum Nymphenburger Kanal – oder bis zur Nederlinger Linde. ||

PHILIPP RÖTH 1841–1921. EIN ROMANTIKER UNTER DEN LANDSCHAFTSMALERN
Gemäldegalerie Dachau| Konrad-AdenauerStr. 3., 85221 Dachau | bis 8. März| Di–Fr 11–17 Uhr, Sa/So/Fei 13–17 Uhr | Führungen: 26. Dez., 6. u. 26. Jan., 14 Uhr | Abendführung: 19. Jan., 19 Uhr (Anmeldung: 08131 567513) | Der Katalog (72 S., 87 Abb.) kostet 17 Euro

WILHELM GROVERMANN, BETTINA BEST, DAGMAR BOLTZE: PHILIPP RÖTH (1841–1921). WERKVERZEICHNIS DER GEMÄLDE
Wißner-Verlag 2019 | 384 S., 230 Farb- u. 600 Schwarz-Weiß-Abbildungen | 98 Euro (Subskriptionspreis bis 31.12.: 78 Euro)

 


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