Mit »Slow« bringt das GOP eine Show nach München, die zur Vorweihnachtszeit passt – oder gerade nicht.
Das ist jetzt nicht ganz leicht, denn was genau Claude Criblez macht, soll keinesfalls verraten werden. Erstens darum, weil es so hingeschrieben blöd und langweilig klänge. Und zweitens, weil der Überraschungseffekt zählt. Deshalb auch bitte nicht schauen, was von dem Schweizer und seinen Tieren im Internet kursiert! Man verdirbt sich sonst den Eindruck des unverbraucht Frischen und auch den Spaß. Und der ist enorm, denn mit seinem Berner Anti-Enthusiasmus und einer vorgeblich morbiden Bastelwut (»So etwas machst du nicht, wenn es dir gut geht«) rahmt Criblez die neue GOP-Show »Slow« auf ganz besondere Weise.
Er moderiert den von Stammregisseur Knut Gminder angerichteten Abend und hat die Routen im Blick, auf denen die darin auftretenden Ausnahmeartisten nach München geschwommen sein könnten, wenn sie Fische wären. So oder so sind sie jetzt da und fabrizieren ein Feuerwerk aus leuchtenden Diabolos, was bei Akira Fukagawa ein wenig nach Kampfkunst aussieht. Sie sind stark und megaelastisch wie die Togni-Brüder, die auch rein körperlich zu den Giganten ihres Fachs zählen: den eher selten im Varieté vertretenen ikarischen Spielen, bei denen der Zwei-Meter-Hüne Michael seinen Bruder Dario wie eine Gummipuppe durch die Luft jongliert. Wenige aber sind so reizend wie Hazel Bock, wenn sie rote Bälle und bunte Koffer auf ihren geschickten Füßen bewegt.
Dass die Show »Slow« heißt, passt etwa so gut wie die Bezeichnung »staade Zeit« zur Stressphase vor Weihnachten. Und das mit Absicht. Nach derselben Logik könnte der Abend auch »Quadrat« heißen, denn die dominante Form des ansonsten ohne roten Faden auskommenden Abends ist der Kreis. Auf nicht nur für GOP-Verhältnisse sehr karger Bühne – bis auf sich kreuzende Scheinwerfer ist sie komplett leer, Maschinerie: nada – beginnt er mit einer Ringjonglage – sieben Kreise –, geht weiter mit der rasanten Hula-Hoop-Nummer von Daria Shcherbyna – acht – um anschließend Jonas Witt mit seinem Cyr-Reifem allein zu lassen, in dem es diesen sich superdynamisch um sich selbst drehenden jungen Mann aber nicht hält, weil er sich wieder und wieder gegen die Fliehkräfte stemmt.
Jeder dieser runden Dinger ist immer eine gute Nummer größer als sein Vorgänger. Und dem folgt auch die Dramaturgie. Die Spektakularität nimmt nach und nach zu. Und wenn eine Truppe so cool und ansteckend gut gelaunt ist wie das Springseiltrio »Tricked Out« rund um die amtierende Weltmeisterin im Hoch-, Kunst-, Schnell- und Was-auchimmer-Springen Tori Beth Boggs, dann geraten schon auch mal die Formen durcheinander. Und bald weiß man kaum noch zu sagen, wer gerade mit welchem Körperteil durch welches Seil hüpft. Toll auch die Luftringnummer von Ingrid Torpitsch, die sich auch immer mal wieder singend ans Klavier setzt.
Und auch Criblez’ »Wuschmaschine« (sic!), so viel wird doch verraten, produziert am Ende Ringe, über die er sich enorm behäbig freut: »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir macht das ungeheuren Spaß.« Dem ist nichts hinzuzufügen. ||
SLOW
GOP| bis 12. Jan. 2020| Di bis Do, 20 Uhr, Fr, Sa 17.30 und 21.30 Uhr, So 14.30 und 18.30 Uhr (nicht 5., 19., 24. Dez., 1., 14., 15., 30. Jan., auch 16. Dez., 6. Jan.) | Tickets: 089 210288444
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