Das Leinwanddebüt »Mein Ende. Dein Anfang.« der jungen Regisseurin Mariko Minoguchi weiß dank bestechender Bildsprache und emotional glaubwürdiger Handlung zu überzeugen.
»Es geht um die Frage nach Determinismus. Wie ein Puzzle ergibt sich daraus Stück für Stück der gesamte Film«, erklärte Mariko Minoguchi im Rahmen des Filmfests München, wo ihr aufsehenerregendes Langfilmdebüt »Mein Ende. Dein Anfang.« im Sommer reichlich Lob, aber überraschenderweise keinen Förderpreis erhielt. Erzählt wird ihr visuell lange Zeit fesselnder und von hochemotionalen Liebes- und Leidensszenen durchtränkter Erstling obendrein auf drei Zeit- und Handlungsebenen, von denen eine auch noch rückwärts verläuft. Ausgehend von ihrer eigenen Beschäftigung mit der Relativitäts- und Quantentheorie arbeitete die Nachwuchsregisseurin längere Zeit an dem Projekt, für dessen Drehbuch sie sich sogar zwei Monate lang nach Taiwan zurückzog.
Was im Plot zunächst allzu dröge-verkopft klingen mag, entfaltet sich in den intimen Einstellungen Julian Krubasiks (»Agonie«/»Die defekte Katze«/»Hi, AI«) allerdings sehr rasch zu einer der bildtechnisch gelungensten Spielfilmproduktionen des aktuellen Kinojahrs. Brillant fotografiert und mit drei der besten Nachwuchsschauspieler (Saskia Rosendahl, Julius Feldmeier, Edin Hasanović) ihrer Generation obendrein glänzend besetzt, sticht »Mein Ende. Dein Anfang.« aus der Flut deutschsprachiger Leinwanddebüts absolut positiv heraus. Die Münchner Autodidaktin, die zwar zahlreiche Sets für unterschiedliche Tätigkeiten, aber nie eine Filmhochschule besuchte, erzählt von der zwischen Transzendenz und Fatalismus schwankenden Liebesgeschichte zwischen Aron (Julius Feldmeier), der gerade an seiner Dissertation in Physik schreibt, während Nora (Saskia Rosendahl) an der Supermarktkasse sitzt.
Die todbringende Katastrophe ereignet sich bereits in den ersten Filmminuten, als beide kurzerhand in einen Banküberfall geraten, bei dem Aron tödlich verwundet wird. Kurz darauf stößt die schwer traumatisierte Nora, deren Name rückwärts gelesen nicht zufällig Aron heißt, auf Natan (Edin Hasanovi), der sich unerwartet oft in der Nähe des Tatorts aufhält, bis sich beide einen Moment lang ineinander verlieben und die nächsten Tragödien nahen … Trotz kleinerer Längen und manch einer Drehbuchverschachtelung zu viel liegt es in erster Linie an Krubasiks traumwandlerischer Bildsprache sowie einem klar akzentuierten Farbkonzept, dass »Mein Ende. Dein Anfang.« (internationaler Verleihtitel: »Relativity«) nie in rührselige Melodramatik oder blutarmes Romantic-Comedy-Einerlei kippt. Zusammen mit der schönsten Münchner U-Bahn-Szene seit Percy Adlons »Zuckerbaby« (1985) und einer grandiosen Tanzperformance zu »Ohne dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)« überzeugt Minoguchis Indie-Perle, die auch als einer der gelungensten München-Filme dieses Jahrzehnts in Erinnerung bleiben wird, dass aufregendes deutsches Kino längst auch ohne Senderbeteiligungen möglich ist: sozusagen vollkommen real – und hoffentlich bald wieder. ||
MEIN ENDE. DEIN ANFANG.
Deutschland 2019 | Regie: Mariko Minoguchi
Mit: Saskia Rosendahl, Julius Feldmeier u. a.
111 Minuten | Kinostart: 28. November
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