Das Münchner Künstlerduo M+M präsentiert seine Filmzyklen in einer labyrinthischen Installation im Museum Villa Stuck.

M+M: »Dienstag«| 2015 | Filmstills | © M+M

Die Ausstellung mit dem sonderbaren Titel »FIEBERHALLE« wurde von M+M (Marc Weis und Martin De Mattia) speziell für das Haus konzipiert und zeigt den Filmzyklus »7 Tage«, den Epilog »Der 8. Tag« und die neueste Arbeit »Mad Mieter«, ein 3-D-Video mit Musik von Moritz Egger. M+M nutzen eine rohe Gerüst-Struktur, die das gesamte Atelierhaus der Villa Stuck durchmisst und so den Besucher frei durch die drei Ebenen des Gebäudes geleitet. Der physische Raum und der Filmraum werden so fragmentiert und gleichzeitig erweitert. Quirin Brunnmeier sprach mit dem Künstlerduo über seine künstlerische Praxis.

Für Ihre Ausstellung »FIEBERHALLE« haben Sie in die Architektur der Villa Stuck eingegriffen. Ist dies ein zentraler Aspekt der Inszenierung Ihrer Arbeit?
Wir haben eine Gerüstkonstruktion in das Gebäude eingesetzt und darin auch zwei Räume einbauen lassen. Alle Teile der Konstruktion haben eine Funktion, sie leiten den Besucher und führen ihn zu den unterschiedlichen Teilen der Ausstellung. Die Videos sind, bis auf die neueste Arbeit, »Mad Mieter«, alle als Zwei-Kanal-Split-Screens präsentiert. In den jeweiligen Installationen, die nach den Wochentagen benannt sind, tritt der Protagonist, der von Christoph Luser dargestellt wird, in ganz unterschiedlichen Identitäten auf. Er nimmt an jedem »Tag« eine andere Rolle ein, die sich in Stimmung und Genre auf eine bestimmte Sequenz in einem Schlüsselfilm bezieht.

Jedes dieser Videos – oder »Tage« – bezieht sich also auf einen ganz speziellen Referenzfilm?
Genau, man muss diese Referenzen aber nicht unbedingt kennen oder erkennen. Diese sind für uns die Grundlage, von der aus wir arbeiten, die wir »übermalen«, wenn man so will. Jeden dieser Filme splitten wir nochmals auf, wir konzentrieren uns auf eine Schlüsselszene, gehen nochmals in die Tiefe und interpretieren diese Szene in zwei Varianten neu. Interessant ist die Vertiefung eines gegenwärtigen Moments in diesen Schlüsselszenen. Das Prinzip der Dualität, dass durch eine Doppelung ein »Flirren« entsteht, zieht sich durch alle gezeigten Wochentage.

Die acht Doppelprojektionen beziehen sich also jeweils auf einen Referenzfilm, werden in zwei Varianten aufgeschlüsselt. Zusammen ergeben sie wiederum ein Ganzes, einen Film?
Einen Film im Sinne einer durchgehenden Erzählung eher nicht, sie funktionieren zusammen wie ein Episodenfilm. Die Wissenschaftlerin Fabienne Liptay hat dafür einen Begriff verwendet, der eigentlich aus der Malerei stammt, sie nannte es ein »Haus der Erzählung«. Wir erweitern einerseits den Ausstellungsraum räumlich und strukturell, wir schaffen ein Haus mit unterschiedlichen Stockwerken und greifen in die Architektur ein. Andererseits erweitern wir auch die Figur des Protagonisten, die an jedem »Tag« eine andere ist. Es ist ein doppelter Erweiterungsprozess.

Den sich der Besucher aktiv selbst erschließen soll?
Die Ausstellung ist räumlich so angelegt, dass man unterschiedliche Zugänge zu den einzelnen Episoden finden kann. Der Besucher kann bis zu einem gewissen Grad selbst seinen Pfad wählen, es gibt keinen geführten Parcours. Man muss nicht die Wochentage in ihrer Reihenfolge abgehen, man darf sich eigene Durchblicke und Blickachsen erschließen.

Die einzelnen Tage laufen gleichzeitig?
Wir glauben, in dieser Synchronerzählung liegt ein unglaubliches Potenzial, daran arbeiten wir ja auch schon seit mehr als 20 Jahren. Es ist spannend, die Psychologisierung, die Film ermöglicht, mit der Verräumlichung, die die bildende Kunst auszeichnet, zusammenzuführen. Und jede der Installationen in der Ausstellung hat zudem noch ihr eigenes Thema, eine andere, inhaltliche Ebene. Die Wochentage sind über einen langen Zeitraum hinweg entstanden – wenn man den 8. Tag dazuzählt, sind es fast 10 Jahre – und daher hat diese Arbeit bis zu einem gewissen Grad eine Eigendynamik angenommen. Daher gibt es inhaltlich ein sehr breites Spektrum: von familiären Abgründen bis zu Mord und Wiederauferstehung. Und innerhalb dieses Spektrums haben wir Bezüge zum Medium Film gesetzt, diese selbst inszeniert und mit den Mitteln des Films gearbeitet. Wir nutzen das Vokabular des Mediums Film, erzählen aber total anders, ohne Linearitäten.

Im Gegensatz zum gängigen Kinofilm?
Genau, es geht tatsächlich um eine klare Abgrenzung zur linearen Erzählung, die, wenn man pointiert argumentieren will, eigentlich inzwischen obsolet ist. Man nimmt Dinge nicht mehr in einer Linearität wahr, man nimmt sehr viele Dinge gleichzeitig wahr, verschiedene Facetten einer Situation. Um dieses Gefühl zu kondensieren, haben wir auf Linearität verzichtet und uns eher auf eine Parallelität von Stimmungen konzentriert. Wir haben diese choreografiert, um die Reichhaltigkeit eines Moments einzufangen. Dadurch wollen wir verdichten und mehrere Möglichkeiten einer Situation aufschlüsseln: das Prisma eines Moments, das Schillern zwischen den Möglichkeiten. ||

M+M. FIEBERHALLE
Museum Villa Stuck| Prinzregentenstr. 60 | bis 12. Januar| Di bis So 11–18 Uhr | Einblicke-Führungen (Führung frei, Eintritt ermäßigt) mit M+M und Michael Buhrs: 12. Dez., 17 Uhr
Friday Late (Abendöffnung 18–22 Uhr, Führung und Eintritt frei): 6. Dez. / 3. Januar, 21 Uhr
Das Begleitbuch mit Texten von Michael Buhrs, Fabienne Liptay und Heinz-Peter Schwerfel (Koenig Books London, circa 700 Seiten) kostet 39 Euro und erscheint im Januar

 


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