Hinreißend komödiantisch: »Die drei Musketiere« im Cuvilliéstheater.

Michael Wächter, Max Rothbart, Vincent Glander und Nicola Mastroberardino (v. l.) geben dem Affen Zucker | © Sandra Then

Wer hofft, ihm werde nun der oft als Verfilmung gesehene, aber nie gelesene Roman »Die drei Musketiere« von Alexandre Dumas als Mantel- und Degenstück vorgespielt, wartet lange vergeblich. Erst nach über einer Stunde rattern die vier Schauspieler im Affentempo eine Minimal-Inhaltsangabe herunter, kaum fünf Minuten lang. Aber bis dahin ist man längst der überbordenden komödiantischen Spiellust dieser umwerfenden Darsteller erlegen und hat kapiert, dass Dumas hier nur als Namensgeber der Figuren und Auslöser ihrer Assoziationen dient. Mit dieser zweiten Premiere seiner Intendanz – einer Übernahme vom Theater Basel – hat Andreas Beck künftig im Cuvilliéstheater eine sichere Bank. Schon in Basel war die Inszenierung des Italieners Antonio Latella der Renner.

Von wegen Mantel und Degen: Mit dem Celentano-Song »Yuppi du« ziehen vier Männer durchs Parkett auf die nackte Bühne, in Anzügen mit harlekineskem Rombenmuster (Kostüme: Simona D’Amico), drei in Graublau, einer in Gelbbraun. Das ist der Außenseiter D’Artagnan, der als Vierter zum verschworenen Dreierteam der Musketiere gehören möchte. Ein überlanger Einstieg mit Statements über das Alleinsein macht immerhin allmählich das Regieprinzip klar: Alle spielen in fliegendem Wechsel und rasendem Tempo die Dumas-Musketiere sowie deren Diener und die Pferde. Das Glanzstück dieser Spielkunst liefert Nicola Mastroberardino in einem atemlosen Wahnsinnsmonolog, sekündlich switchend zwischen gelbem Klepper, dem Diener Planchet und D’Artagnan. Hochleistungssport pur.

Regisseur Latella (Bühne, Raum, Musik) inszenierte auf den Grundlagen der Commedia dell’Arte: Körperakrobatik, rhetorische Artistik und Improvisation. Sein Text (Co-Autor ist der Dramaturg Federico Bellini) ist eine höchst selbstironische Reflexion über das Theater und soziale Zugehörigkeit. Die Schauspieler steigen immer wieder aus ihren Figuren aus, diskutieren über die Commedia, die Rolle des Schauspielers, deutsche Dramaturgen oder italienische Regisseure. Sie albern, juxen, blödeln und grimassieren, springen von einer Metaebene zur anderen, hinterfragen Dumas’Motto »Einer für alle, alle für einen«. Mal durchbricht D’Artagnan krachend die vierte Wand, Athos schlägt sich dran die Nase ein. Sie turnen durch die Zuschauerreihen, machen das Publikum an, alles scheint erlaubt und ist doch unaufdringlich, witzig und komisch. Bis wieder einer zurück zur Bühne ruft.

Wo es nicht weniger turbulent zugeht, jedoch präzise choreografiert (von Franceso Manetti). Aus leisem Klacken metallbeschlagener Schuhsohlen wird Hufgetrappel und Steptanz-Rhythmus. Mastroberardinos selbstzweiflerischer D’Artagnan ist der Star, der damit hadert, dass Dumas ihn als Vierten im Titel ausspart. Aber alle können alles wunderbar: Michael Wächter verleiht seinem Athos hochnäsige Arroganz, Max Rothbart dem Porthos eine verdruckste Eitelkeit, Vincent Glander verblüfft als verhinderter Mönch Aramis mit Opernstimme. Gemeinsam schmettern sie ein hinreißendes italienisches Schlager-Medley. Und fechten am Ende sogar mit echten Degen und Federhüten, die aus einer Versenkung auftauchen: Das Theater zeigt seine Illusionsmittel offen vor.Keine Illusion ist der Höhepunkt des Abends: Wenn die vier Pferde-Schauspieler nach allen Regeln der Spanischen Hofreitschule den Radetzkymarsch tanzen, bleibt vor Lachen kein Auge trocken. Ein himmlischer Spaß! ||

DIE DREI MUSKETIERE
Cuvilliéstheater | 12., 13., 26. Nov., 2., 8., 17. Dez.| 19.30 Uhr
(So 18.30 Uhr) | Tickets: 089 21851940

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