»Olympiapark in the Dark« von Thom Luz eröffnet die Spielzeit im Marstall mit einer musikalischen Annäherung an München.
Das Ankommen im Neuen beginnt bereits vor der Vorstellung: Der Schauspieler und Bühnenbildner Wolfgang Menardi hat den Marstall zum Start der Intendanz von Andreas Beck in eine Oase verwandelt. Einen einladenden Ort, an dem Multiplex-Holz, Kakteen und Sukkulenten einen schönen Kontrast zu den Backsteinmauern der ehemaligen Hofreitschule bilden. Eröffnet wird der neue Marstall mit einer Uraufführung von Thom Luz. Ausgehend von Charles Ives’ Komposition »Central Park in the Dark« aus dem Jahr 1906 startet der eine Erkundung dieser Stadt: »Olympiapark in the Dark«.
Die Bühne ist ziemlich leer, will mit Neuem gefüllt werden. Daniele Pintaudi lässt wie ein Magier mit einer Handbewegung das Licht aus- und einen Rahmen aus Laser angehen, lenkt die Scheinwerfer wie ein Dirigent durch die Dunkelheit, bis der Rest des Ensembles den Raum über den Balkon betritt. Barbara Melzl führt Mareike Beykirch, Elias Eilinghoff, Christoph Franken, Camill Jammal, Mara Miribung und Noah Saavedra herein: »Im Winter ist es recht kalt, und die Heizung ist recht laut.« Die Neuen erkunden den Ort, stellen fest, dass »die Feuerlöschanlage in großartigem Zustand« ist. Melzl stimmt auf dem Xylophon das Lied der Schäffler an – und schon beginnt diese Annäherung an einen Ort über seine musikalische(n) Geschichte(n), seine Klangwelt.
Sie sehen einen München-Film, der verkehrt herum und rückwärts läuft. Überhaupt wird die Stadt hier gründlich auf den Kopf gestellt. Die Musik, die die Hauptrolle spielt, umfasst auch »die Geräusche, die ein Mensch in einem Park auf einer Bank hören könnte«, Geräusche der Zivilisation. Dieses München, das Luz hier erkundet, es leuchtet nicht, es dämmert bis in die Dunkelheit hinein, aus der es erweckt wurde. Münchner Lieder, Geschichten, Menschen vermischen sich zu einem flirrenden Kaleidoskop. Anhand einzelner Jahreszahlen, die an die Rückwand projiziert werden, erzählt das Ensemble zwischen (Streich-) Orchesterproben leise und laute Anekdoten dieser Stadt, ihrer neuen (künstlerischen) Heimat. Vom Jubel aus dem Stadion, der mit 1,5 Sekunden Verspätung an der Bank im Olympiapark ankommt. Vom kleinen Albert Einstein, dessen untalentiertes Geigenspiel die Familie aus ihrer Wohnung in der Adlzreiterstraße 12 fliegen ließ, vom Arbeitslosenorchester, einem unrein klingenden Glockenspiel und Orlando di Lasso, der mit jeder geschriebenen Note umgerechnet 15 000 Euro verdiente. Dieses Spiel mit den Jahrhunderten ist musikalisch wie inhaltlich ein bewusstes Chaos, ein Puzzle, das reizt, die Leerstellen durch eigene Gedanken, Bilder und Töne zu füllen. Eine wunderbar schräge Ode an diese Stadt, eine Einladung, das Vertraute neu zu hören, das Neue im Alten zu entdecken. ||
OLYMPIAPARK IN THE DARK
Residenztheater – Marstall| 2., 4., 7., 9., 16., 17., 24., 30. Nov., 3., 10., 29. Dez.| 20 Uhr (Sonntag 19 Uhr)
Tickets: 089 21851940
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