Sherko Fatahs Roman hat mehr zum Gegenstand als nur den Anschlag in München im »Schwarzen September« 1972.

»Schwarzer September« – da klingelt’s bei vielen Deutschen, immer noch. Die palästinensische Terrorgruppe, die für den Anschlag auf das israelische Olympiateam während der Sommerspiele 1972 in München verantwortlich war, gehört in fataler Weise zur Geschichte der Bundesrepublik. »Bei Allah, dachte Massud, wie konnte ein Volk, das noch vor ein paar Jahrzehnten die ganze Welt in einen jahrelangen Krieg gestürzt hatte, während seiner Olympischen Spiele bei acht Palästinensern so versagen. Nicht einmal ihre Gewehre hatten funktioniert. Was war nur mit diesen Leuten los, dachte er, wie desorganisiert mussten siesein? Eine Handvoll Palästinenser tanzte ihnen vor den Augen der Welt auf der Nase herum …«

Dieser Massud arbeitet in Beirut für die Amerikaner, und bald wird er tot sein: »Sie haben ihn förmlich durchsiebt«, stellt Heller fest, der seinen nervösen Botschaftskollegen Victor schon mal gewarnt hatte: »Freundschaften sind in dieser Gegend Bündnisse.« Massud ist nicht das erste Terroropfer im neuen Buch von Sherko Fatah – schon auf der dritten Romanseite wird der jordanische Premierminister im Foyer des Sheraton Kairo umgenietet. »Schwarzer September« führt zurück in die 1970er Jahre, spielt an mehreren Schauplätzen im Nahen Osten wie in Europa und macht seine Leser mit einer ganzen Menge interessanter, meistens recht undurchsichtiger Charaktere bekannt. »Auch wenn die hier geschilderten Ereignisse auf vielerlei historische Begebenheiten Bezug nehmen, so handelt es sich bei diesem Werk doch um einen Roman«, heißt es programmatisch im Vorspann, und damit ist klar, dass man es mit einem höchstproblematischen Genre zu tun hat, dem sogenannten historischen Roman mit dokumentarischem Anspruch.

Der Berliner Autor Sherko Fatah, Jahrgang 1964, hat mit »Das dunkle Schiff« (2008), »Ein weißes Land« (2011) oder »Der letzte Ort« (2014) bewiesen, dass er Faction kann. Man darf sogar sagen, dass klug gebaute Faction, die der Entstehung der Konflikte im Nahen Osten und deren Auswirkungen auf Europa nachgeht, das Markenzeichen dieses durch und durch politischen Autors ist. Mit »Schwarzer September« bleibt er sich treu. Der Anspruch ist hoch: Er will illusionslos aufklären über den einst politisch, heute pseudo- religiös motivierten nahöstlichen Terrorismus und das ihm gegenüber oft nur naive Verhalten der Westler, egal, ob die nun US-Geheimdienstleute sind oder gewaltbereite deutsche Ex-Kommunarden. Vielleicht ein zu hoher Anspruch. Gern folgt man dem streckenweise sehr spannenden Roman bis zu seinem bitteren Ende. Der Terror aber geht weiter. ||

SHERKO FATAH:SCHWARZER SEPTEMBER
Luchterhand Literaturverlag, 2019
379 Seiten | 22 Euro

 


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