Walter Storms lebt für und mit Kunst. Mit unbestechlichem Blick und rheinischer Heiterkeit vertritt er seit über 40 Jahren weltbekannte Künstler. Christiane Pfau traf ihn in seiner Dependance in Bogenhausen.
Er ist am Telefon, als er die Tür öffnet. Beim Eintreten telefoniert er weiter, winkt den Besuch freundlich ins Haus hinein. Gleich im Eingang fällt der erste Blick auf ein weißes Nagelbild, am unteren Rand steht: Für Walter Storms von Günter Uecker. Ja, denkt man, wenn das hier schon so losgeht, wie geht es denn dann weiter? Und tatsächlich, es geht weiter, und wie: Auf den Böden, an den Wänden, überall, wohin man schaut, steht und hängt Kunst. Hier wird Kunst weder ausgestellt, noch wird damit dekoriert. Nein, die Kunst wohnt hier. Zusammen mit Walter Storms und seiner Frau, der Künstlerin Caro Jost. Wir gehen die Treppen hinauf, ins Arbeitszimmer. Man sitzt also auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch, Storms dahinter, er telefoniert munter im rheinischen Singsang weiter und blättert in seinem Kalender. Nach wenigen Minuten ist das Gespräch beendet, und er wendet sich ganz seinem Gegenüber zu. Eigentlich hat man schon viel erfahren, was man fragen wollte, in diesen kryptischen Satzfetzen voll narrativer Dichte: Walter Storms ist viel beschäftigt, er ist ein umworbener Gast, weil er unterhaltsam, leicht zugänglich und klug ist. Er findet Termine, wo eigentlich keine mehr sind. Er ist zugewandt. Er bemüht sich um Lösungen, um Erfolg auf allen Seiten, um einen befriedigenden Abschluss. Er bleibt entspannt, auch wenn ihm gerade alles weh tut, denn er ist 72 und kokettiert nur ein ganz kleines bisschen mit seinem Alter. Dazwischen verkauft er wie nebenbei große Kunst, selbstbewusst, unaufgeregt, elegant, wie ein Pingpongspieler, der Bälle auffängt, sie abschlägt, abfedert und am Ende perfekt platziert.
Gegenüber vom Schreibtisch hängt ein wandbreites Werk der belgischen Künstlerin Marie-Jo Lafontaine: Monochromie auf schweren MDF-Platten, auf denen steht: »Die Verdüsterung der Welt erreicht nie das Licht des Seyns«. »Wenn ich das abnehme, bricht die Wand zusammen«, sagt Storms. »Aber das hängt jetzt schon 20 Jahre da, und es kommt wohl auch nicht mehr weg.« Der Satz ist wie ein Mantra: »Man kann in der tiefsten Krise sein, aber das Licht, das einem im Herzen brennt, das darf man sich nie auspusten lassen. Man kann ganz unten sein, aber man muss immer noch an sich glauben. Das ist der Inhalt dieses Spruchs, mehr oder weniger. Das ist ein so optimistischer Spruch. Das muss man sich hochhalten! Das ist mein Sinnspruch, finden Sie nicht?« Er lacht herzhaft.
Im Moment zeigen Sie in der Schellingstraße zwei Künstler parallel: Robert Voits Fotos und Raimund Girkes weiße Bilder. Wie symptomatisch sind diese beiden Ausstellungen für Sie?
Der eine ist ein deutscher Klassiker, ich habe ihn 1980 getroffen, 2002 ist er gestorben. Und der andere ist ein jüngerer Künstler, der ist gar nicht mehr so jung, gilt aber immer noch als einer der jüngeren. Ich finde es toll, dass man diese beiden kombinieren kann, und das ist für mich auch das Prinzip der ganzen Galerie arbeit: dass man Berühmtheiten wie beispielsweise Rupprecht Geiger oder Sean Scully mit jüngeren Positionen zusammenbringt. Diese Symbiose ist für beide Seiten fruchtbar. Das Geben und Nehmen ist etwas, was mein ganzes Leben geprägt hat. In der Gästetoilette hängt ein Brief von Beuys von 1967 oder 68. Auch ich habe sehr viel von diesen Koryphäen gelernt, und die haben sich amüsiert, wenn da so ein junger Pimpf angelaufen kam … Über den positiven Generationenaustausch könnte ich Ihnen tausende Geschichten erzählen!
Ist das heute auch noch so?
Na ja, die Erinnerung verunklärt ja so manches. Man vergisst beim Sichzurückerinnern manchmal, dass es damals auch schwer war. Aber man bildet sich ein, es sei früher leichter gewesen. Wir haben viel mehr miteinander gefeiert, getrunken, wir lagen uns in den Armen. Heute scheint es schwieriger zu sein. Aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse sind heute viel stressiger: Auf allen Ebenen wird nur noch ruppig gekämpft. … Puh, früher bin ich nach Persien getrampt, per Autostopp, da hat der Schah noch gelebt, da konnte man in der Türkei mit Lederhose und Pfadfinderhemd rumrennen, das war alles möglich, heute ist das nicht mehr denkbar. Glorreiche Zeiten, bilde ich mir ein! Aber jetzt schweifen wir ab. Also, grundsätzlich ist es so: Die Galerie lebt zwischen den beiden Polen von moderner Klassik und junger Kunst. Stellen Sie sich vor, Sie gehen auf eine große Messe, nach Köln oder sonstwohin, und stellen nur junge Kunst aus, und Sie verkaufen alles – dann haben Sie am Ende trotzdem ein großes Minus gemacht. Um das auszugleichen, müssen Sie auch ein Werk von einem bekannten Künstler verkaufen. Nur das bringt ein bisschen Kapital. Ich habe mit der Galerie in der Schellingstraße und auch hier in der Ismaninger Straße hohe Ausgaben, das kann ich nicht allein mit jungen Künstlern finanzieren. Das ist ein harter Job mit viel Verantwortung für alle Beteiligten, da muss man sich überlegen, wie man es am besten macht. Der Spagat macht da nicht nur Spaß, sondern auch Sinn.
Warum wird man Galerist?
Ich hab damals Kunstgeschichte in Köln studiert, ab 1972 war ich in München. Und ich hab immer schon, auch während meiner Schulzeit, Ausstellungen organisiert. Ich war immer nah dran an den Künstlern, erst mit der Gruppe Zero in Köln, dann mit den Italienern hier in München. Dann kam auch die Szene in Tschechien dazu, das war mitten im Kalten Krieg. Alles, was passiert ist, ist durch menschliche Beziehungen entstanden. 1977 habe ich die erste Galerie eröffnet, dabei gab mein Doktorvater Braunfels einen wichtigen Anstoß. Mein Programm war konkretkonzeptionell, das war hier damals noch ein blinder Fleck. Damit konnte ich mir einen Namen machen.
Wer sammelt? Privatleute haben ja meistens nur begrenzte Flächen, die sie bestücken können.
Der Sammler ist süchtig. Man fängt an, privat Kunst zu kaufen, und dann sammelt der ein oder andere weiter. Das ist eine Leidenschaft, und dann hat man bald mehr, als man brauchen kann. Als Galerist verwalte ich auch Sammlungen, das wandert dann weiter in Ausstellungen, Museen und andere Orte. Die Voraussetzung ist natürlich die Leidenschaft für die Kunst.
Was raten Sie jüngeren Künstlern?
Die Jungen müssen den Mut haben, auch aus München raus zu gehen, in andere Städte, nach Düsseldorf und Hamburg, in andere Länder. Da kann ein Galerist hilfreich sein, wenn es um Bestärkung und Motivation geht. Künstler zu sein ist etwas total anderes als jeder normale Beruf. Das ist manchen nicht so klar. Es ist ja echt keine Schande, kein Künstler zu sein. Viele bilden sich auf ihr Künstlertum auch was Falsches ein. Da trennt sich dann schnell die Spreu vom Weizen.
Ist ein Galerist auch ein Künstler?
Nein, wir sind Geschäftsleute. Auch wenn wir oft nicht so gut mit Zahlen und Betriebswirtschaft können. Ich kann eher quatschen oder kommunikativ sein. Ich bin kein Künstler, ich kann die Kunst nur verstehen oder nachvollziehen oder erklären. Das begeistert mich alles. Ich gehe wirklich ins Leben der Künstler hinein. Wir sind im besten Fall eine Lebensgemeinschaft. Das sind nahezu intime, private Beziehungen. Mit manchen bin ich ein Leben lang befreundet. Die Künstler brauchen einen Sparringpartner, mit dem sie sich fetzen können. Das sind tolle Typen, und da muss man schon das nötige intellektuelle Gerüst und auch das Selbstbewusstsein haben, damit sie einen akzeptieren. Ich sehe so ziemlich alle Ausstellungen, in denen meine Künstler vertreten sind. Jedes Bild sieht in einem anderen Kontext anders aus. Da kriegt man einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Ich bin immer nur mit der Kunst befasst. Das ist mein Leben!
Was raten Sie jungen Galeristen?
Man muss einige Zeit durchhalten. Das Pflaster ist hart. Was man alles braucht … das kostet alles einen Haufen Geld. Früher hab ich die Bilder aufs VW-Dach geschnallt und bin damit nach Hamburg gefahren. Da ist heute undenkbar. Heute muss ja alles edelst verpackt sein. Was das kostet! Aus dem ganzen Holz kann man woanders eine ganze Hütte bauen. Als Galerist muss man die Konkurrenz aushalten, den Neid, die Intrigen. Es gibt immer wieder auch Dinge, die nicht so lustig sind, das muss man ehrlich zugeben.
Und was würden Sie heute anders machen?
Ach Gott. Hm. Vielleicht wirtschaftlicher mit Geld umgehen. Davon hatte ich keine Ahnung. Ach was! Es ist, wie es ist. Nein, ich würde nichts anders machen. Ich hätte nichts besser gemacht. Ich habe mir aus dem Nichts etwas aufgebaut, und da bin ich stolz drauf. ||
RAIMUND GIRKE. WEISS GRENZENLOS. HÖHEPUNKTE AUS DEN 1960ER JAHREN. || ROBERT VOITH. NEUE ARBEITEN
Walter Storms Galerie| Schellingstr. 48 | Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr
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