Körper-Bilder als Selbsterkundungen und Selbstinszierungen: Die Ausstellung »Body Check« im Kunstbau stellt erstmals Martin Kippenberger und Maria Lassnig einander gegenüber.

Maria Lassnig: »Der Verstand hat Angst / Der Arzt sagt: Die Welt loslassen« ca. 2000–2005 | Öl auf Leinwand, 121 x 101,6 cm © Maria Lassnig Stiftung

Unterschiedlicher könnten die zwei, ersichtlich inszenierten, Porträtfotos bei den Künstler-Biografien kaum sein, obwohl sie von derselben Fotografin, Elfie Semotan, 1996 und 2000 aufgenommen wurden. Die Malerin Maria Lassnig (1919–2014) liegt auf dem mit Folie abgedeckten Parkett eines Ateliers oder Ausstellungsraums. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine verrückte Großtante oder eine Dozentin, die eine Demonstration auf dem Boden nicht scheut. Die schräge Lage ist gestisch als seltsamer Körperzustand performt.

»Körperbewusstseins-Zeichnungen« machte Lassnig schon um 1950, als sie von realistischer Malerei zu »unfigurativen« Werken wechselte, einem dynamischen Informel. Ab den 60er Jahren fand sie mit ihren »Body-Awareness Paintings« zurück zur Figur und betrieb seither eine unermüdliche Selbsterforschung des Körpers, seiner Zustände und psychischen Verwandlungen. »Body Check« lautet der Titel der Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses, in der Maria Lassnig mit Martin Kippenberger konfrontiert wird und Kippenberger mit Lassnig in Dialog tritt. Den Anfang der Schau flankieren zwei Bilder Lassnigs: das drastische »Sprechzwang« und das sarkastische »Die Lebensqualität«, in dem die nackte Frau oberhalb der Wasseroberfläche noch das Gläschen hebt, verzweifelt freilich, weil unten der Fisch schon zugebissen hat und das Schiff längst gesunken ist. Diese Körper- und Selbsterkundungen zeugen mit aller Energie von Schmerz und Hinfälligkeit: »Memento Mori« ist die Vorzeichnung für ein »Krankenhaus«-Gemälde beschriftet.

Kuratiert hat die Schau Kippenberger-Spezialist Veit Loers für das Bozener Museion, und das Lenbachhaus ist der geeignete Koproduktionspartner, weil Lassnig zu den Hausheiligen seiner Sammlung gehört. Circa 20 Gemälde sind jeweils zu sehen, dazu Zeichnungen, die sich dem Körper-Thema widmen, ein Film von Lassnig und skulpturale Installationen Kippenbergers. Es ergeben sich spannungsvolle Dialoge, zugleich ist die Präsentation ein Kippenberger-Projekt, das mit Lassnigs Körper-Existenzialismus einen neuen Blick wirft auf Kippenbergers manisch-gebrochene Selbstbezüglichkeit des Künstlers als Gesamtkunstwerk.

Zurück zum Porträtfoto: Der früh verstorbene Martin Kippenberger (1953–1997) war mit Elfie Semotan verheiratet (beide haben sich gegenseitig inspiriert), sie fotografi erte ihn auf dem Markusplatz der Kunststadt Venedig, gerahmt von den berühmten Säulen, in eleganter statuenhafter Pose: Eine Taube sitzt ihm auf der Schulter, eine auf dem heldisch ins Profi l gewendeten Kopf. Der Künstler als Selbstdarsteller und ironischer Kulturkritiker. In der Serie »Selbstporträts« paradiert er 1988 mit Unterhosen à la Picasso. Und schon der junge Künstler feiert 1979 in einer Publikation im eigenen »Verlag Pikasso’s Erben« sein »1/4 Jahrhundert Kippenberger« oder klebt selbstgefertigte Briefmarken »21 Jahre unter euch«. Polemisiert später gegen die Meistermaler der Gegenwart wie Baselitz und Konsorten, wenn er die Stillosigkeit zum Prinzip macht. »Hand Painted Pictures« heißen die Selbstporträts, in denen ein grotesker und fragmentierter Körper figuriert. Die vielen Anspielungen und Zitate sind oft Einsprüche in die Kunstwelt, Kippenbergers rhetorische und allegorische Selbstdarstellung ist als Protest gegen die geltende Weltordnung zu lesen. ||

BODY CHECK. MARTIN KIPPENBERGER – MARIA LASSNIG
Kunstbau des Lenbachhauses| U-Bahnhof Königsplatz, Zwischengeschoss | bis 15. September| Di 10–20 Uhr, Mi–So /Fei 10–18 Uhr | Kuratorenführung:28. Juli, 18 Uhr (Susanne Böller) | Führungen: 28. Juli, 4./25. August, 14 Uhr; 20. August, 18 Uhr
Der Katalog kostet 30 Euro | weitere Veranstaltungen

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