Statt pompösem Blockbuster-Kino und anderem internationalen Action- Getöse schlägt die Open-Air-Reihe des Filmfest München 2019 ganz andere Töne an. Unter dem Slogan »MINGA, Baby« werden lokale Film- und TV-Preziosen aus den letzten 50 Jahren gezeigt.
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Unter dieses Motto könnte man die Open-Air-Reihe des diesjährigen Filmfest München stellen. Denn hinter dem Titel »MINGA, Baby« verbergen sich ausschließlich Filme, die in der Landeshauptstadt entstanden sind bzw. dort spielen. Bei drei Produktionen geht es zurück in die 1960er Jahre: May Spils’ Regiedebüt »Zur Sache, Schätzchen« (1967) zeigt nicht nur eine blutjunge Uschi Glas in einer ihrer ersten Rollen, das Porträt der 68er-Generation ist zugleich eine äußerst kultig-liebenswerte Hommage an ein Schwabing, als es noch von wilden, frechen und lässigen Lebenskünstlern bevölkert war.
Zwei Jahre später entstand »Katzelmacher«, Rainer Werner Fassbinders kongeniales Frühwerk, in dem er sich äußerst kritisch mit Fremdenhass auseinandersetzt. Damit behandelt das mit fünf Deutschen Filmpreisen dekorierte Drama, das auf Fassbinders gleichnamigem Bühnenstück basiert, ein Thema, das aktueller nicht sein könnte. Genau zwischen diesen beiden Projekten entstand 1968 mit »Neun Leben hat die Katze« der laut Filmkritikerin Christa Maerker »erste feministische Film« der Bundesrepublik. Regisseurin Ula Stöckl beobachtet darin fünf konträre Frauentypen, die ausloten, wie es aktuell um die Emanzipation in der deutschen Gesellschaft bestellt ist. Einer, der im »MINGA, Baby«-Programm keinesfalls fehlen darf, ist Helmut Dietl. Das Filmfest zeigt allerdings nicht seine legendären Serien »Münchner Geschichten«, »Kir Royal« oder »Monaco Franze«, sondern seinen erfolgreichsten Kinofilm »Rossini –oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief«.
Die bitterböse Gesellschaftssatire macht sich nicht nur über die Macken der Großkopferten lustig, sie gerät auch zum Schaulaufen deutscher Topschauspieler von Veronica Ferres bis Mario Adorf, von Gudrun Landgrebe bis Götz George, von Meret Becker bis Heiner Lauterbach und so weiter und so fort. Ein Phänomen, das es wohl nur in München gibt, behandelt Björn Richie Lob in seiner 2009 entstandenen Dokumentation »Keep Surfing«. Es geht um die obercoolen Surfer, die nahezu täglich auf dem Eisbach im Englischen Garten neben dem Haus der Kunst ihre ebensolchen Kunststücke vollführen.
Und schließlich gibt es noch ein Wiedersehen mit den Protagonisten zweier Kultserien, mit Veronika Fitz als »Die Hausmeisterin« Martha Haslbeck, die nach der Trennung von ihrem untreuen Ehemann (Helmut Fischer, wer sonst?) ihr Leben endlich selbst in die Hand nimmt. Und mit Hans Clarin, der in »Meister Eder und sein Pumuckl« zwar nicht zu sehen, aber als krächzend-krakeelender Kobold mit dem roten Haar (»Hurra, hurra!«) sehr wohl zu hören ist. Dass diese Kinderserie erst spätabends am Gasteig gezeigt wird, beweist doch eindeutig, dass sie für Jung, Alt und Junggebliebene gleichermaßen funktioniert. Zu guter Letzt hält »MINGA, Baby« auch noch eine Weltpremiere bereit. »Schmucklos« soll laut Pressenotiz »eine Komödie über das echte Leben« sein. In der idealistischen, eigenproduzierten Ode an München und seine Bewohner agieren unter anderem bajuwarische Stars wie Marianne Sägebrecht, Michaela May, Eisi Gulp, Uschi Glas und Günther Maria Halmer vor der Kamera. ||
FILMFEST MÜNCHEN
27. Juni bis 6. Juli| verschiedene Spielorte
Programm
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