Josef Pretterer spielt sein neues Figurenkabarett »Die Erlösung« in der Drehleier.
Angefangen hat’s mit einem Herzversagen 1998, da war Josef Pretterer gerade 50 Jahre alt. Aber es war nicht sein Herz, das versagte. »Herzversagen« hieß sein erstes Solokabarett, für das er sich zwei Puppen gebastelt hatte, Nagg und Nell. Ihre Namen haben sie von dem alten, in Mülltonnen hausenden Ehepaar in Becketts »Endspiel«. Mit diesem »Herzversagen« begann für den Zeichner und Illustrator ein zweites künstlerisches Leben als Figurenkabarettist. Inzwischen hat er für neun Soloprogramme 70 manchmal lebensgroße Figuren gebaut, aus Schaumstoff, mit Nessel beklebt und angemalt. Zu seinem 20. Bühnenjubiläum und 70. Geburtstag letztes Jahr gönnte er sich ein »Jubiläumsprogramm«, jetzt bringt er sein zehntes Solo »Die Erlösung« heraus.
Der Titel »Die Erlösung« sei Programm, sagt der Künstler mit dem weißen Wuschelkopf. Er sei drei Jahre mit Ideen schwanger gegangen, bis ihm klar war: Das Grundthema ist die Angst. Dafür hat er sechs neue Klappmaulfiguren erfunden. Geschürt werden die Ängste der Menschen vom Fürsten der Finsternis und dessen Sohn, dem Teufel. Der ist zuständig für die neuen Ängste, weil er sich mit Digitalisierung und Nanotechnologie auskennt. Ein Angsthase ist ganz neurotisch, während ein sächselnder Superman vom Planeten Krypton furchtlos sein Helfersyndrom auslebt – als Anpassungsprogramm an die Erde. Einen bayerischen Bauern plagt die Sorge, dement zu werden, er wünscht sich, eine Prinzessin möge ihn erlösen. Doch statt einer Prinzessin läuft ihm ein Schaf zu. Den Bauern spielt Pretterer selbst, ebenso wie einen schwulen Kardinal und den Hausmeister des Universums, der seit 2003 stets dabei ist. Der ist auch Sachse, der Teufel spricht dagegen Kölsch. Eine Begabung für Dialekte hatte Pretterer schon immer: »Ich habe als Kind begeistert Radio gehört. Da gab’s noch den Schulfunk in verschiedenen Dialekten, die hab ich alle nachgesprochen.« Kölsch kann er eh, weil er in der Nähe von Köln aufgewachsen ist, Bairisch natürlich auch, seit er vor Jahrzehnten seiner Frau zuliebe nach München zog.
Sein Lebenslauf ist ziemlich bewegt. In Köln studierte er Illustration, mit 21 machte er sich per Schiff auf nach Kolumbien, die Zeichenmappe auf dem Rücken. Ohne ein Wort Englisch oder Spanisch fand er in Bogotá die Kunstakademie, wo man ihn sofort als Gastdozent anstellte. Er fand auch einen Freund, bei dem er wohnte. Als der als Guerillero vor dem Haus erschossen wurde, musste er nach anderthalb Jahren schnell das Land verlassen. In Deutschland schlug er sich als Zeichner und Illustrator unter anderem für »Bravo« und »Stern« durch. Für einen Job bei einer Gesundheitsmesse lieh ihm eine befreundete Puppenspielerin eine Puppe für witzige Vorträge. Daraus wurde eine Zusammenarbeit für »Herzversagen« und eine Bühnenkarriere. Geschrieben hat Pretterer schon mit 17, seine Ideen sind wild und skurril. Die Texte übt er ein, indem er sie beim Spazierengehen laut vor sich hin spricht. Wild und oft furchterregend grotesk sind auch seine Puppen – an einer baut er drei Wochen. Doch seine drei kleinen Enkel haben keine Angst vor ihnen, sondern lieben sie. Im neuen Programm ist er nicht nur Figuren- und Schauspieler, sondern erzählt auch Geschichten aus dem eigenem Leben über seine Ängste. ||
DIE ERLÖSUNG
Drehleier| Rosenheimer Str. 123 | 13.–15. Juni| 20 Uhr
Tickets: 089 482742
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