Der Kunstpreis »Rampe 2019« geht an Angela Stauber.

Angela Stauber | Vom Aquarell zum Bilderwürfel: Moment im Produktionsprozess | © Angela Stauber

Vom Industrieareal über die Party-Location zum Meilenstein Projekt der Landeshauptstadt: Wo bis 1996 Kartoffelknödel,-püree und -puffer, Motorräder und Schmierstoffe hergestellt wurden, entsteht seit 2012 mit dem Werksviertel ein neuesStadtquartier, in dem nicht nur nachts gefeiert, sondern auch 24/7 gewohnt, gearbeitet und gelebt wird. Und in dem – für München bishe reher untypisch – die nachgenutzten historischen Bauten einen spannenden wie spannungsvollen Dialog mit der neu entstandenen und entstehenden Architektur von so renommierten Büros wie Nieto Sobejano (Optimolgelände), Cukrowicz Nachbaur (Konzerthaus) und steidle architekten (Medienbrücke München) eingehen.

Der Kern des Werksviertels ist das Werk 3 auf dem ehemaligen Pfanni-Gelände: In dem sanierten, aufgestockten und erweiterten Produktionsgebäude mit dem begrünten Dach, auf dem im Sommer Schafe weiden, sind unter anderem LoftBüros, Ladengeschäfte, Bars, Restaurants, Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen, Übungsräume für Musiker und Künstlerateliers entstanden. Bis das neue Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in frühestens zwei Jahren fertig gestellt ist, begreift sich das Kunst- und Kulturzentrum whiteBOX als »kulturelles Herzstück des Werksviertels«, wie es Pressesprecherin Angelika Schindel formuliert.

Um diesem Selbstverständnis Ausdruck zu verleihen und der Kunst im Werksviertel den ihr gebührenden Platz zu geben, hat die whiteBOX erstmals im November 2018 zusammen mit boesner Künstlerbedarf den mit 3000 Euro dotierten »Kunstpreis Rampe« ausgeschrieben, einen Wettbewerb für ein Kunstwerk im öffentlichen Raum. Für die Realisierung des Siegerentwurfs stehen 5000 Euro zur Verfügung. Die beiden Auslober sind im Werksviertel unter den zahlreichen Digital-Start-up-Unternehmen, die sich mittlerweile dort angesiedelt haben, dezidierte Vertreter des Analogen, und zudem so etwas wie »Pionierbesiedler«: In der whiteBOX waren die ersten Künstler bereits eingezogen, bevor es Strom und fließendes Wasser gab; boesner hat die Niederlassung im Werksviertel für die »künstlerische Nahversorgung« vor drei Jahren eröffnet. Die whiteBOX bezieht bei ihren Projekten die Bewohner des Viertels konsequent mit ein, und auch boesner geht bewusst an
Standorte, wo »Kultur gemacht, Kunst produziert wird und ein reges künstlerisches Leben stattfindet«, so Lucia Hornstein: In Kolbermoor ist es die Kunstakademie, in Bad Reichenhall die ehemalige Saline, in Leipzig die Alte Spinnerei. Insofern ist der Kunstpreis auch ein Signal an das Viertel, dass nicht wie in
anderen Quartieren erst die Künstler kommen, dann gebaut und anschließend gentrifiziert wird, sondern sie bleiben. Denn sie sollen das Viertel auch weiterhin bereichern.

Inhaltlich und thematisch machte die Auslobung keinerlei Vorgaben, aber zwei Punkte waren zwingend: Zum einen musste die Arbeit beleuchtet sein, damit der Kunst-Hot-Spot, den boesner und die whiteBOX an der Atelierstraße 18 bilden, mit dem Kunstwerk ein auch nachts weithin sichtbares Gesicht bekommt; zum anderen waren Euro-Paletten zu verwenden. Die sind neben ihrer eigentlichen Funktion auch eine Reminiszenz an das Viertel, wie es früher einmal war, und noch heute stehen die Container weiter vorne in der Atelierstraße teilweise auf Euro-Paletten als »Fundament«. Diese doppelte Codierung war den Auslobern wichtig: Für boesner als Händler für Künstlerbedarf stehen Euro-Paletten für eine Liefer-und Lagersituation, sind also »Trägermedium«, zugleich werden sie im Werksviertel multifunktional eingesetzt – als Sitzelemente ebenso wie als Treppenstufen.

Angela Stauber |© Angela Staube

Während die meisten der eingereichten Entwürfe versuchen, architektonisch zu arbeiten, entschied sich Angela Stauber – einst Meisterschülerin von Sean Scully – bewusst für einen malerischen Ansatz. Die Preisträgerin – sie nutzt selbst ein Atelier in der witeBOX – hat sich seit ihrem Einzug intensiv mit der sich permanent verändernden Baustellensituation vor ihrem Fenster beschäftigt und das in eine Serie von kleinformatigen Aquarellen des Werksviertels im Werden umgesetzt. Vier von ihnen – Baustellenmotive, Fassadenansichten oder Menschen bei der Arbeit – bilden die Grundlage ihrer Arbeit »Bilderwürfel«, einem hinterleuchteten Kubus aus Polycarbonattafeln auf einem Sockel von Euro Paletten. Ihre Arbeit greift einerseits dasMotiv der im Werksviertel allgegenwärtigen Wassertanks auf, die – abends beleuchtet – als Wegeleitsystem fungieren; andererseits ist der gewonnene Wettbewerb für die Malerin auch eine Gelegenheit, ihre persönlichen Eindrücke der Veränderung des Viertels dem Viertel zurückzugeben. Dazu werden die ausgewählten, im Original 17 x 24 cm großen Aquarelle als Vorlagen auf den Bildträger projiziert, die Formen aus transparenter oder transluzenter Fensterfolie zugeschnitten und aufgeklebt. Zwischentöne entstehen durch additive Farbmischung – sprich durch das Überlagern mehrerer Schichten von Folie. Zudem wird die Rückseite der Bildträger stellenweise in Acryl hintermalt, was den Motiven eine zusätzliche räumliche Tiefe und Spannung verleiht. Insgesamt entsteht auf diese Weise der Eindruck von farbigem Glas – für Angela Stauber eine der wenigen Traditionen nichtskulpturaler Arbeiten im öffentlichen Raum: »Während Kunst im öffentlichen Raum meist als Skulptur daherkommt, haben Bilder normalerweise mit Werbung zu tun, sind also zweckgebundenund so gut wie nie als Kunst anwesend. Deshalb war es mir wichtig, mit meiner Arbeit zweckfreie Bilder zu zeigen, dem Stadtraum damit eine andere Perspektive zu geben – und dem Betrachter die Möglichkeit, sich zu spiegeln.«

Damit knüpft »Bilderwürfel« auch an ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Stadt und an Arbeiten für den öffentlichen Raum wie »Die Vermessung des Raumes« (New York, 2013) oder »Die Transformation der Stadt« (Berlin, 2014) an, für die Angela Stauber ihre Zeichnungen der Stadt erst in Linoldrucke übertrug und diese anschließend auf Großplakatwänden in der Stadtausstellte. Aktuell ist »Bilderwürfel« noch in Realisierung, die Vernissage findet am 26. Juni statt – auf der Rampe vor der Atelierstraße 18. ||

KUNSTPREIS RAMPE: ANGELA STAUBER
whiteBOX / boesner | Atelierstr. 18, Rampe | 26. Juni
19.30 Uhr | Eintritt frei

 


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