Jacqueline Reddington denkt Ernst Jüngers Zukunftsroman »Gläserne Bienen« in die Gegenwart weiter.

Marcel Herrnsdorf (l.) und Nick Romeo Reimann (r.) schleusenKjell Brutscheidt durchs Labor| © Federico Pedrotti

Zwei cleane Jungs tanzen Disco: blütenweiße Hosen, wiesengrüne Hemden, blinkende Sneakersohlen. Der Soundtrack unter ihren exakten Bewegungen ist »Stayin’ Alive« von den Bee Gees aus den späten Siebzigern. Der Titel des Abends ist »Gläserne Bienen« und reicht noch zwei Jahrzehnte weiter zurück, als Ernst Jünger 1957 in seinem Roman gleichen Namens den Ex-Rittmeister Richard auf Jobsuche in die mysteriösen Zapparoni-Werke schickte, wo man nach Kriegsende auf neue Weise Aufrüstung betreibt. Die dort entstehende Automatenwelt zwischen Nanotechnologie und humanoiden Marionetten haben Jacqueline Reddington (Regie) und Lüder Wilcke (Dramaturgie) mit Details aus dem Silicon Valley angereichert. Heraus kommt ein dystopischer Mix aus dem, was technischer Machbarkeits- und Kontrollwahn im Verbund mitökonomischen Interessen ausrichten kann.

In einem gewächshausartigen Labor, dessen streng geometrische Wabenstruktur an frühe Computerspiele erinnert, während der Boden bienenwachsfarbene Wellen aufweist (Bühne: Louis Panizza), liefert Richards leicht abgetakelte Menschennatur das Rohmaterial zu deren eigener Überwindung. Analog ergeht es den Bienen, deren Roboter-Doubles mit multiplen Rüsseln und Maxi-Saugkraft ihre natürlichen Vorbilder alt aussehen lassen, was aus heutiger Sicht eine seltsame Mischung aus Schrecken und Hoffnung verbreitet. Doch Themen wie das Bienensterben oder die Entpersönlichung der modernen Kriegsführung tippt die Inszenierung allenfalls an, mit der Peddington ihr Studium an der Otto Falckenberg-Schule abschließt. Der glänzend besetzte Abend beginnt mit viel Spaß an der Parodie auf die Marionetten der (Unterhaltungs-) Industrie: Marcel Herrnsdorf und Nick Romeo Reimann sind Menschmaschinenwesen, die ab und an monotone Zustimmungslaute brummeln oder – ob es passt oder nicht – »Oh, yes!« und »Wunderbar!«.

Damit schleusen sie Kjell Brutscheidts Richard durch einen Aufnahme- oder Verwandlungsprozess, wozu der im gelben Plastikbienendress buchstäblich gegen ein offensichtlich randomisiertes Auswertungssystem anrennen muss. Das bleibt gerne mal stehen, wenn er gerade Fahrt aufnimmt, oder eilt weiter, wenn sein mäßig trainierter Körper erlahmt. Bunte Flecken hüpfen dabei in die Wabenkästchen auf der Rückwand, sodass das Publikum stets schlauer ist als der bedauernswerte Proband, der seinen Testern sogar etwas wie Genervtheit entlockt, wenn er es nicht schafft, seine Herzfrequenz zu manipulieren.

Reddington verwischt die Grenzen zwischen Mensch und Maschine gezielt und gönnt ihrer meist schicksalsergeben agierenden Hauptfigur anfallartige Erkenntnisschübe, wo Brutscheidt plötzlich so kristalline wie nach Zapparoni-Maßstäben ketzerische Theorien absondert. Seine Prüfer machen es ihm einerseits leicht, indem sie eine Frage notfalls auch fünfmal widerholen, andererseits zwingen sie ihn immer wieder in dieselben Situationen. Weshalb der szenische Rhythmus zusehends erlahmt, bis plötzlich Schluss ist, als wäre der Abend nicht ganz fertig geworden. Schade! ||

GLÄSERNE BIENEN
Kammer 3| 14., 15. Mai| 20 Uhr
Tickets: 089 23396600

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