Ein Ständchen der besonderen Art zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane: seine Gedichte als Songs vertont und eingespielt von Reinhardt Repkes »Club der toten Dichter«.
Leise hebt das Akkordeon an. Dann tritt allmählich ein gezupfter Bass hinzu, eine Gitarre. Schließlich die ausdrucksstarke Stimme von Katharina Franck, die dem bedachtsam voranschreitenden lyrischen Ich ihre Stimme schenkt: »Die Menschen kümmerten mich nicht viel / Eigen war mein Weg und Ziel … So und nicht anders / So und nicht anders.« Hier behauptet ein Mensch unbeirrt sein Leben – ein Gedicht, verwandelt zu einem vor Intensität knisternden Song. »So und nicht anders« bildet das Entree zu dem Album »Theodor Fontane neu vertont« von »Reinhardt Repkes Club der toten Dichter«. Von der ersten Sekunde an ist man eingenommen und will die kommenden 45 Minuten gebannt Zeile um Zeile, Strophe um Strophe, Gedicht um Gedicht hören.
Es mangelt wahrlich nicht an Publikationen zum 200. Geburtstag des großen Dichters. Da sind die dickleibigen Sachbücher, von Iwan-Michelangelo D’Apriles »Fontane. Ein Jahrhundert in Bewegung« bis Regina Dieterles »Theodor Fontane. Biografie«. Und da sind die Wiederaufl age von Gert Westphals grandiosen Romanlesungen sowie die »Theodor Fontane Hörspiel-Edition« bei DAV. Doch die wohl schönste Beschäftigung mit dem Werk des sozialpsychologischen Realisten dürften die Interpretationen Reinhardt Repkes sein. Denn sie zeigen Fontane und dessen Gedichte und Balladen von einer ganz neuen Seite. Nämlich, so unerhört das klingen mag, als Popsongs. Man kann, ja man will sogar diesen Vertonungen, deren Basis zumeist das Akkordeonspiel von Cathrin Pfeifer ist, auch einfach mal nebenbei lauschen, beim Kochen oder beim Abwaschen etwa. Eben wie bei einem zeitgenössischen Musikalbum. Nur dass die Texte, u. a. »Mein Herz«, »Überlass es der Zeit« und »Alles still«, wesentlich tiefgängiger, nachdenklicher sind als das allermeiste, was man sonst vorgesetzt bekommt.
Für Reinhardt Repke, Komponist und Gründer des »Clubs der toten Dichter«, ist Fontane bereits der sechste Schriftsteller, den er auf seine eigene musikalische Weise auslotet. Es begann vor über einem Jahrzehnt mit Heine, gefolgt von Wilhelm Busch, Rilke, Schiller, Bukowski. Bei Letzterem war der Schauspieler Peter Lohmeyer mit von der Partie. Die Musikerin, Rainbirds-Sängerin und Hörspielmacherin Katharina Franck leiht Repke nach dem Rilke-Album bereits zum zweiten Mal ihre Stimme, singt, spricht, ja rappt fast bei »Herr von Ribbeck auf Ribbeck«.
»Mein Freund, du frägst, warum ich singe?« heißt die erste Zeile von »Auch ein Herzenstrost«, gefolgt von der Antwort: »Ich singe, nun, ich singe, singe – Mir macht einmal das Singen Spaß.« Damit dürften alle Fragen nach dem Grund der Kooperation geklärt sein. Sieht man einmal davon ab, dass Franck seit Jahren in der Nähe von Neuruppin lebt. Also tief im FontaneLand verwurzelt ist. Auch Repke selbst gibt ab und an den Chansonnier. Höhepunkt des Albums: die berühmte Ballade von John Maynard. Sie kommt hier als dreiteiliger, sich langsam entfaltender hochdramatischer Liederzyklus oder, wie die Band selbst es nennt, als »Maynard-Suite« daher. Der »Club der toten Dichter« ist mit dem Fontane-Material ganzjährig auch live unterwegs. ||
REINHARDT REPKES CLUB DER TOTEN DICHTER: SO UND NICHT ANDERS. THEODOR FONTANE NEU VERTONT
Argon Hörbuch, 2019 | Mit Katharina Franck | 1 CD, Laufzeit
45 Min. |16,95 Euro
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