Stefan Pucher schleift in den Kammerspielen Virginie Despentes Romantrilogie »Das Leben des Vernon Subutex« glatt.

Vernon Subutex’ Jünger (von oben n. u.): Nils Kahnwald, Gro Swantje Kohlhof, Thomas Hauser | Arno Declair

Zum Auftakt spricht Alex Bleach per Video zu uns, einR ockmusiker, der sich auf den kapitalistischen Markt begeben hat und darauf umkam. Der tote Sänger wird bei Stefan Pucher zu einer immer wieder erscheinenden Passions- und Lichtgestalt, ein Rebell, der das System zornig anklagt. Bleach, dessen Erbe eine Krimihandlung auslöst, zum Einstieg in die Bühnenadaption von Virginie Despentes` Romanen zu benutzen, bietet sich an, doch Pucher greift dabei zu einem Heldennarrativ, dem die Vorlage klugerweise nie verfällt.

Despentes` dystopische Subutex-Trilogie, in der eine Utopie aufscheint, erzählt die Geschichte des Plattenhändlers Vernon, der seinen Laden verliert und zum Obdachlosen wird, ehe er als DJ zum Guru einer von der Musik vereinten hippiesken Gemeinschaft aufsteigt. Auch Vernon ist in den Kammerspielen von Beginn an von der Aura des Popstars umweht, ein schönes wie einem Plattencover entsprungenes Schemen, das als Projektionsfläche für allerlei Sehnsüchte dient. Der DJ wird auf der Bühne zum Sänger, der uns emotional verführt, und dafür hat Pucher mit Jelena Kuljićdie perfekte Besetzung. Wie sie etwa Leonard Cohens »You want it darker« vorträgt, das ist fantastisch. Vernons Abrutschen in die Obdachlosigkeit wird nur malerisch hingetupft und mündet in einein Schwarz-Weiß-Aufnahmen zelebrierte die christliche Ikonographie zitierende Waschung. Der Schmutz und die Armut werden bei Pucher elegisch veredelt.

Despentes porträtiert eine Fülle versehrter Figuren, gescheiterte Träumer, zynische Karrieristen, rechte Schläger, frühere Freunde Vernons aus der Punkrockszene, die sexistische Sprüche klopfen und rassistische Wutreden schwingen. Sie rüttelt an unseren Denkschablonen und lässt das Bild einer innerlich kaputten Gesellschaft entstehen. Pucher führt auf der amphitheaterartigen Bühne mit einem DJ-Pult als Kanzel eine lange stylische Typenparade vor. Darunter: der Drehbuchautor Xavier (Samuel Stoyanov), der koksende Trader Kiko (Nils Kahnwald) und der skrupellose Filmproduzent Dopalet (Jochen Noch). In dem fabelhaften Ensemble glänzen zumal Thomas Hauser als Ex-Pornostar Pamela, Wiebke Puls als Cyber-Mobberin Hyäne, Gro Swantje Kohlhof als vergewaltigte Céleste und Annette Paulmann als pittoreske Pennerin, die ihren Zornherausbrüllt und lustig schräg den Bond-Song »Skyfall« krächzt. Ein Gesellschaftsporträt jedoch wird aus dem Figurenreigen, der einem innerlich fern bleibt, nicht.

Nach der Pause versammeln sich alle hässlich schick uniformiert, halten Monologe und streiten, aus dem Kontext gelöste Figurenaussagen werdenzueinemfeministischen Textblock collagiert. Gemeinsam besingen sie »La Résistance«, ehe sie ein Terroranschlag niedermetzelt. Verstörend wirkt das nicht. Dafür ist diese Inszenierung leider zu klischeelastig und reibungsfrei glattgeschliffen. ||

VERNON SUBUTEX
Kammer 1| 14. April| 15 Uhr | 22. April | 19 Uhr | Tickets: 089 23396600

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