Die Künstlerin Julia Wahren vermittelt zwischen Klängen, Bildern, Bedeutungen. Demnächst im HochX und im Schwere Reiter.

Julia Wahren | © Judith Häusler

Man könnte die Performerin und Klangartistin Julia Wahren im Anschluss an die gesetzlosen und tollkühnen Helden des Westerngenres als ästhetische »Desperada« bezeichnen. »Ich bin an ästhetischen Schnittstellen unterwegs«, betont die Wahlmünchnerin, die mit »Sound Art + Drama« Text und Szene, Geräusch und Musik anarchisch verschmilzt. »Desperados 1919«, der Name ihrer Performance, die am 20. und 23. Februar im Rahmender Veranstaltungsreihe »1918 | 2018 – Was ist Demokratie?« im Hoch X auf die Bühne kommt, ist eine Synthese von Historie und Reflexion, Fiktion und Assoziation. Den Humus der Arbeit bildet dabei der antibolschewistische Propagandafilm »Desperados«, der 1919 auf dem Kasernengelände an der Dachauer Straße gedreht wurde. Heute bietet hier das Kreativquartier künstlerischen Freibeutern Raum – im Schwere Reiter, einer noch genützten Bühne auf dem Gelände, wurde »Desperados 1919« im Rahmen des Festival Public Art Munich(PAM) 2018 erstmals gezeigt.

Der historische Stummfilm im Gewand eines Melodrams handelte von der Niederschlagung eines Arbeiteraufstands und denunzierte die Revolutionäre als Kriminelle. Finanziert wurde der Film von zwei Ministern der Regierung Eisner, ein Verrat von Sozialdemokraten an Revolution und Rätebewegungund Ausdruck einer gärenden gesellschaftlichen Krise, die 100 Jahre später neue Aktualität entwickelt. »Der Film inszeniert Zorn alspolitisches Mittel«, reflektiert Julia Wahren die darin manifestierte sozioästhetische Dynamik. »Daran musste ich im Kontext des inszenierten Volkszorns, etwa im Rahmen der Hetzjagdenvon Chemnitz denken.« Die Performance umreißt die Handlung des verschollenen und nahezu vergessenen Films, auf den Wahrens künstlerischer Kompagnon Rudolf Herz im Rahmen der Recherchen für sein Buch »München. Fotografie und Revolution 1918/19« gestoßen war. Im ästhetischen Schulterschluss mit dem musikalischen Freigeist Zoro Babel treiben die Performer ein musiktheatrales Spiel mit Fakten und Assoziation, historischem Diskurs und erfindungsreicher Spekulation.

Mit Blick auf Entstehung, Rezeption und Wirkungsgeschichte des Filmdokuments untersuchen sie die Rhetorik rechtspopulistischer Propaganda und schärfen die Perspektive auf die Verquickung von Politik und Kultur. Dabei sind die wenigen erhaltenen Filmstills, die bildmächtig und in starkem Rhythmus projiziert werden, weitaus mehr als eine Illustration. Als Zeitzeugnisse aus dem Bereich der Fiktion schlagen sie in die Gegenwart ein. Julia Wahren betont: »Ich arbeite bevorzugt im Kollektiv, denn aus spartenübergreifenden Kollaborationen ergibt sich ein wundervoller Pool an Möglichkeiten«. Ein solcher wird auch im Falle von »Splitter« ausgeschöpft, einem Konzertprojekt, das am 3. Februar in Zusammenarbeit mit dem Detmolder Ensemble Horizonte im Schwere Reiter musikalische Desperados und Abenteurer beschwört. Scheinbar ungeordnet treffen Großwerke des Dada auf Alte Musik und avantgardistische Klänge. Das Klangergebnis ist wie ein Kaleidoskop: »Wird es geschüttelt, schreibt sich der Zufall anarchisch ein und führt im Ergebnis doch zu einer bild- und sinnhaften Schönheit.« ||

JULIA WAHREN, RUDOLF HERZ, ENSEMBLE HORIZONTE U. A.: SPLITTER // DESPERADOS 1919
Schwere Reiter| Dachauer Str. 114 // HochX
Entenbachstr. 37 | 3. Februar// 20., 23. Feb., 20 Uhr | Tickets: 089 45818181 // 089 2097 0321

 


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