Mit dem Gärtnerplatz-Ensemble haben Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir »Romeo und Julia« dekonstruiert.
Ein Anfang, wie er sympathischer nicht sein könnte. Alle Tänzerinnen und Tänzer treten an die Rampe und sagen nacheinander, wen sie darstellen: das Gift, den Dolch, Julia. Die eine nennt die Rolle, die sie
schon in einer Choreografie verkörpert hat, eine andere meint, dass sie noch nie zu dieser Musik getanzt hat, ein anderer sagt: »Wir sind alle Julia.« Dabei strahlen sie in hautfarbenen Trikots mit transparenten Brustteilen und überdimensionalen Schulter- und Po-Polstern. Gewonnen, denkt man, gewitzter kann man eine Dekonstruktion des »Romeo und Julia«-Stoffes kaum beginnen.
Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir haben sich für ihre Inszenierung am Gärtnerplatztheater eine postdramatische Figurenaufsplitterung ausgedacht. Zu einer verkürzten Version von Prokowjews Ballettmusik verlegen sie die Story in einen dystopischen Garten Eden. In dem ständig Blut fließt. Geschrien wird. Sich die Geschlechtergrenzen auflösen. Ästhetisch bewegt sich das meist in einem Horror- und Splatter-Genre, wie es Ómarsdóttir schon öfter bedient hat – zum Beispiel in dem moströsen »We saw Monsters«, mit dem sie 2012 beim Festival Dance gastierte.
Auch hier wird mit abgeschnittenen Händen gespielt, mit Headbanging, Zuckungen und Schreien. Anders als ihr Kollege Trajal Harrell an den Kammerspielen, der in »Juliet & Romeo« die subtilen Facetten aufnimmt, bleiben die isländischen Choreografinnen bei ihrer bildmächtigen Trash-Fantasie. Die Szenerie ist optisch packend, hat zeitgenössisches Flair. Der Stockholmer Bühnenbildner Chrisander Brun hat die offene Bühne mit metallischem Glanz bestückt, einem tränenden Herzen aus Leuchtstoffröhren, Feuergarben, glitzernden Herz-Luftballons und aufblasbaren Party-Palmen. Vor den Podesten, die am Ende als Julias Katafalk dienen, verdichten sich die Körper-Formationen. Prokowjews farbige, szenische, emotional charakterisierende Musik, ausdrucksstark interpretiert unter der Leitung von Daniel Gatti, wird hier durchkreuzt durch die Auflösung der individuellen Charaktere und sozialen Stereotypen in ein übergreifendes Gewalt- und Lust-Reich. Ob Cheerleader-Wirbeln, Kämpfe, Ekstasen – die Bewegungen fesseln selten, auch nicht in demonstrativen Wiederholungen. Drastik, die nicht durchdringt, sondern sich in biederen Variationen erschöpft. Das Problem liegt im Verhältnis von Choreografie und Musik – und in der Choreografie selbst. Selten hat man so viele Aerobic-Elemente gesehen, die so brav auf den Takt gestellt sind, wie hier. ||
ERNA ÓMARSDÓTTIR/ HALLA ÓLAFSDÓTTIR: »ROMEO UND JULIA«
Gärtnerplatztheater| Dachauer Str. 3
6. Januar,18 Uhr; 12./16./24. Jan.,19.30 Uhr; 4. Februar,19.30 Uhr | Tickets: 089 218519-20/40/60/70
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