Bluegrass ist eine verkannte Form avancierter Folk Music. Ein Minifestival präsentiert die Nische.
Sein Vater hatte auf dem amerikanischen Flughafen gearbeitet und somit auch Zugang zur Bibliothek der amerikanischen Streitkräfte gehabt. Dort entdeckte er jene Bluegrass-Scheiben, die daheim auch den Sohn Rainer Zellner begeisterten. Prompt wechselte der Junior vom Gitarrenspiel zur Mandoline, die laut Zellner nur im Bluegrass wirklich zur Geltung kommt. »Sonst wird sie ja eher belächelt«, sagt er, der später auch begann, Bluegrass-Konzerte zu veranstalten. »Bluegrass ist ohne Blues nicht vorstellbar, dieser Mix aus weißer und schwarzer Musik, aus dem schließlich die Rockmusik hervorging«, schwärmt Zellner und nennt als prominentes Beispiel Elvis Presleys Aufnahme von Bill Monroes »Blue Moon Of Kentucky«. Trotzdem habe diese urtümliche Musik in Deutschland nie die ihr gebührende Anerkennung erfahren, was der 63-jährige Hesse vor allem der antiamerikanischen Grundhaltung seiner Generation zuschreibt. Das Folkrevival beispielsweise, das in den Siebzigern auch Deutschland erreichte, bezog sich hierzulande nämlich mehr auf einen Irish Folk der Dubliners oder der heimischen Volksmusik. Amerikanische Musik hätte hier nur als Ausdruck einer schwarzen Kultur Fuß fassen können. Der Bluegrass sei dagegen als Cowboymusik belächelt worden. Darum erreichten auch die von Zellner organisierten Tourneen mit Szenegrößen in Deutschland nur ein kleines Insiderpublikum.
Um also mehr Aufmerksamkeit für Bluegrass zu wecken, tourt Zellner seit zehn Jahren mit einem Festival, das ihm die Möglichkeit gibt, neben den Stil-Originalen auch Vertreter von Musikrichtungen wie etwa Countryswing oder Blues einzuladen, die die vielen Wurzeln des Bluegrass aufzeigen. Damit garantiert die Bluegrass Jambouree, wie Zellner die Zusammenkunft nennt, seit zehn Jahren ein abwechslungsreiches und dennoch in sich schlüssiges Programm. In München einst im Amerikahaus angesiedelt, veranstaltet Zellner sein Jubiläumsfest in München mit Unterstützung der Stiftung Bayerisches Amerikahaus und dem örtlichen Veranstalter Club zwei nun im Technikum nahe dem Ostbahnhof. Unter dem Motto »Looking Back to the Future« werden heuer Künstler präsentiert, die laut Veranstalter »die Inspiration für ihr eigenes kreatives Schaffen aus den ursprünglichen Wurzeln von Bluegrass, Folk und akustischem Oldtime Country schöpfen und daraus spannende Musik für die Zukunft schaffen.« Bill and The Belles aus Virginia erinnern dabei mit ihrem Mix aus Oldtime Fiddle Tunes, Swing, Gospel, Blues, Bluegrass und Balladen an die texanischen Radioshows der 30er Jahre. Die eineiigen Zwillinge Adam und David Moss aus Brooklyn bieten als The Brother Brothers eine Sangeskunst, die den Stil der Everly Brothers aufgreift, mitunter aber auch an Simon and Garfunkel erinnert. Und schließlich offerieren die in der Fachpresse gefeierten Jeff Scroggins & Colorado mit einer Besetzung, die zwei Generationen Musiker vereint, ein Bluegrasskonzert, das auch zukunftsweisende Spielarten wie Newgrass oder JamGrass aufgreift. Mal was anderes. ||
10. BLUEGRASS JAMBOREE
Technikum| Speicherstr. 18 | 10. Dez.| 20 Uhr
Tickets: 089 54818181
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