Das Gärtnerplatztheater nimmt Gottfried von Einems sinistre Oper »Dantons Tod« ins Programm.
»Es lebe der König!« Mit diesem verzweifelten Ruf endet Gottfried von Einems Revolutionsoper »Dantons Tod«. Gerufen hat Lucile, die Frau von Dantons bestem Freund Camille. Dann wird sie von Dantons Gegenspieler Robespierre erwürgt – mit einem Flugblatt. So zumindest in Günther Krämers Inszenierung am Gärtnerplatztheater. Der Regisseur ist ein alter Theaterfuchs und findet für von Einems zupackend dramatische Musik immer wieder stimmige Bilder. Das Flugblatt, mit dem Lucile erstickt wird, hat sie nämlich selbst vervielfältigt. Und Flugblätter wie dieses sind überall im Theater verteilt, selbst an den Türen im Zuschauerraum. Zu lesen sind darauf Texte von Georg Büchner, von dem auch die Vorlage der Oper stammt. Etwa das böse Märchen vom armen Kind aus dem Woyzeck. Es wird auf den Vorhang projiziert. Als der sich öffnet, gibt er den Blick auf eine Wand frei, auf die wiederum Büchner-Texte projiziert werden. Damit nicht genug, werden sie von Schauspielerin Sona MacDonald auch noch ins Publikum gebrüllt.
Solche Brachialattacken, meist gekoppelt mit Videoprojektionen aus der Jetztzeit, z. B. eines Polizeieinsatzes bei einer Demonstration, hat Krämers Inszenierung gar nicht nötig. Denn meist vertraut er der Musik, deren wuchtige Dramatik Anthony Bramalls zügiges Dirigat unaufhörlich vorwärtstreibt. Orchester und Chor sind die heimlichen Protagonisten, die Büchners Titelhelden leiten, diesen philosophischen Melancholiker der Revolution. Mathias Hausmann gibt einen Dandy mit Sonnenbrille, der angesichts des Mordens den Glauben an die Revolution längst verloren hat. Wie gelähmt starrt er auf das entfesselte Treiben seiner einstigen Weggefährten. Nur wenige von ihnen halten ihm noch die Treue. Die aber finden sich im großen Tribunal in Unterhosen auf einem Tisch wieder, zusammengepfercht wie auf dem Floß der Medusa. Ein bedrückendes Bild, aus dem Danton als einzig aufrecht Stehender heraussticht. Erst im Prozess wächst er wieder über sich hinaus. Eine ambivalente Szene, die von Einem mit großer Emphase vertont. Ob hier ein Revolutionär oder ein Demagoge zugange ist, bleibt offen.
Die Metamorphose der Oper vom Auftragswerk für die Dresdner Staatsoper 1943 bis zur Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1947 wird nicht nur in dieser Szene hörbar. Gottfried von Einems Musik steht für beide Jahreszahlen, steht an der Schwelle zur Moderne, überschreitet sie aber nicht. Sein Kompositionslehrer Boris Blacher hat ihm Büchners ausuferndes Werk auf 90 Minuten komprimiert: sechs dichte Bilder, deren eigentliche Hauptfigur das Volk ist. Und so verlangt von Einems Partitur dem Chor einiges ab. Das Ensemble des Gärtnerplatztheaters meistert die Herausforderung sowohl szenisch als auch musikalisch mit Bravour. Das Volk in der Oper agiert ansonsten wenig eigenständig, sondern folgt immer dem, der es gerade füttert. Am Ende ist das Dantons Rivale Robespierre. Ihm verleiht Daniel Prohaska eine unpersönliche Gefährlichkeit, die dadurch verstärkt wird, dass er zu Beginn mit dem Rücken zum Publikum stumm dasitzt und in seinen Laptop starrt.
Das Nicht-Greifbare dieser Figur, deren Tenorlage mal scharf, mal glatt klingt, macht sie auch heute plausibel: ein kalter Technokrat der Macht. Das emotionale Zentrum der Oper ist aber das Paar Camille und Lucile, vor allem wenn es so passend besetzt ist wie hier. Mária Celeng und Alexandros Tsilogiannis
harmonieren nicht nur stimmlich wunderbar, sondern sind auch berührende Figuren. Als Lucile nach Camilles Hinrichtung das Lied vom »Schnitter Tod« anstimmt, ist sie ihm schon anheimgefallen. Ihr Gruß: »Es lebe der König!« ||
DANTONS TOD
Gärtnerplatztheater |4. Nov. | 18 Uhr
15. Nov. | 19.30 Uhr | Tickets: 089 21851960
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